Kolumne Laufen: Lauf, Athlet, und schweig!

Sportfunktionäre sind Vordenker - Sportler dagegen sollen am besten den eigenen Kopf ausschalten.

Letzte Woche war der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach, beim "ZDF heute journal" als Interviewpartner aus Peking zugeschaltet. Dort tagten die hohen Herren vom Olymp und irgendwie hatte man den Eindruck, es brannte. Nicht nur die Fackel, sondern auch sonst im Hause des IOC. Mehrmals versuchte Claus Kleber zu erfahren, welche Art des Protestes während der Olympischen Spiele für Athleten erlaubt sei und welche nicht. Ist das Eintreten für das Einhalten der Menschenrechte schon als politische Demonstration zu werten, sind Symbole erlaubt, wenn ja welche und wo? Klar ist im Moment nur, dass jede politische Demonstration bei Wettkämpfen, bei olympischen Stätten und "anderen Bereichen" verboten ist. Welche Art der Bestrafung bei Zuwiderhandlung dieser Regel folgt, steht nirgendwo.

Claus Kleber dachte wohl, wer, wenn nicht Thomas Bach, könne ihm darüber Auskunft geben. Schließlich ist Bach der oberste Boss des deutschen Sports und müsste im Grunde großes Interesse daran haben, die Athleten vor Torheiten zu schützen. Dürfen sie also ein simples Armband tragen oder gar ein T-Shirt mit dem Schriftzug "Menschenrechte"? Thomas Bach war und ist deshalb der geeignete Mann für eine Antwort auf diese Frage, weil er zudem Leiter der Arbeitsgruppe des höchsten Schiedsgerichtes des IOC ist. Er und seine Juristenkollegen werden die Fälle von demonstrierenden Athleten schließlich auf den Tisch bekommen. Wer also sonst könnte den deutschen Athleten klar sagen, was zu lassen ist bei den Olympischen Spielen.

Nicht nur Kleber vom ZDF hat diese Frage gestellt - und keine Antwort erhalten -, auch die deutschen Leichtathleten haben den DOSB aufgefordert, für Klarheit zu sorgen. Was genau verstehen die IOC-Regelhüter beim Demonstrationsverbot unter der schwammigen Formulierung "andere Bereiche"? Und was, wenn die Athleten auf dem Platz des himmlischen Friedens für die Einhaltung der Menschenrechte eintreten. Werden sie verhaftet? Wahrscheinlich. Athleten sollen den Mund halten und fertig. Öffentlich traut sich Bach nicht, das so zu sagen, schließlich will er mündige Athleten, die ihre Meinung sagen. Athleten die ihren Weg gehen, Charakter zeigen, Zivilcourage beweisen. Echte Vorbilder eben. Aber bitte erst, wenn die Spiele vorüber sind. Man kann nicht davon ausgehen, dass die vergangene Woche in Peking zusammengekommenen Funktionäre die Belange der Athleten und deren Befindlichkeiten vor den Spielen auf der Tagesordnung hatten. Am Ende sollen Athleten nicht denken, sie sollen laufen.

Diese und ähnliche Aussagen sind nicht selten und ernten in den Kreisen der Funktionäre große Zustimmung. Wir, die Herren vom Olymp, bestimmen schließlich den Kurs. Ganz sicher? Vielmehr hat man den Eindruck, dass China den Kurs bestimmt, und das bringt die bange Frage mit sich: Was kommt nach den Spielen? Und diese Frage geht weit über den Sport hinaus.

Doch zurück zum Sport. Das große und mächtige IOC ist nicht einmal mehr Herr der eigenen Spiele. Nach langem Schweigen rang sich der IOC Präsident Jacques Rogge eine Art Kritik gegenüber den Gastgebern ab und forderte die bei der Vergabe abgegebene Selbstverpflichtung zur Verbesserung der Menschenrechte in China ein. Jede politische Einmischung verbiete sich für den Sport, ließ der Machtapparat antworten. Das IOC solle sich an seine eigene Charta halten. Dort lehnt die olympische Bewegung jede Form von Unterdrückung aufgrund von Rasse und Religion ab. Der Sport steht für Völkerverständigung, Freiheit, Toleranz und Fairplay.

Menschenrechte sind keinesfalls politisch. Wenn ja, dann war der Sport schon immer auch politisch. Das Streben nach diesen Werten, ihre Umsetzung und Beachtung machen vor Landesgrenzen nicht halt. Dies hätte Rogge öffentlich klarmachen müssen. Seine Aussage zu den Problemen in Tibet, "diese Grenze dürfen wir nicht überschreiten, das ist ein politisches Thema", ist der Ausverkauf der olympischen Idee.

Fragen zu Grenzen? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH

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