Schmutzkampagne und Wahlfälschungen: Mit allen Mitteln gegen den Ex-Bischof
Paraguays regierende Colorado-Partei will einen Wahlsieg des linksliberalen Fernando Lugo am Sonntag unbedingt verhindern und setzt hundertausende Staatsangestellte unter Druck
ASUNCIÓN taz Paraguays Colorado-Partei zieht sämtliche Register: Durch eine Schmutzkampagne, Druck auf Hunderttausende Staatsangestellte und im ganzen Land geplante Wahlfälschungen möchte die De-facto-Staatspartei den Sieg des Mitte-Links-Kandidaten Fernando Lugo am Sonntag doch noch abwenden. Denn bei den Präsidentschaftswahlen droht das Ende von 61 Jahren Colorado-Herrschaft und der erste Regierungswechsel auf demokratischem Weg überhaupt.
Oberster Einpeitscher ist Präsident Nicanor Duarte. Auf der Abschlusskundgebung seiner Partei attackiert er Lugo brüllend als "gescheiterten Priester", der "vom Vatikan bestraft wurde, weil er ungläubig und treulos war". Und Duarte warnt: "Wir lassen uns von Banditen aus Ecuador, Venezuela und Kolumbien keine Lektionen in Sachen Demokratie erteilen!"
Anfang der Woche hatte der Präsident behauptet, nach ihrer Wahlniederlage planten die Lugo-Anhänger Brandanschläge und andere Gewaltakte, und zwar mit Hilfe von "Agitationsexperten" aus Venezuela und Ecuador. Beweise: keine.
Dass Duartes eher blasse Kandidatin Blanca Ovelar überhaupt eine Chance gegen Lugo hat, verdankt sie einem Schachzug des Präsidenten im letzten September: Um die Opposition zu spalten, ließ Duarte damals den charismatischen Exgeneral Lino Oviedo vorzeitig auf freien Fuß setzen. Der bei der armen Landbevölkerung populäre Oviedo war wegen eines mutmaßlichen Putschversuchs inhaftiert und konzentrierte seine Attacken ebenfalls auf Lugo. In den Umfragen liegt Oviedo bei 28,5 Prozent - knapp sechs Punkte hinter dem Kirchenmann Lugo, aber fast gleichauf mit Colorado-Kandidatin Ovelar.
In denunzierenden TV-Spots wird Fernando Lugo immer wieder mit der Entführung und Ermordung von Cecilia Cubas in Verbindung gebracht, der Tochter eines früheren Präsidenten. Einige unter dubiosen Umständen Verurteilte waren linke Aktivisten in Lugos früherer Diözese. Auf Plakaten der Colorado-Jugend prangt der emeritierte Bischof deshalb in Sträflingskleidung hinter Gittern oder als "Antichrist". "Wir lassen uns unsere Fahne weder von Entführern aus der Hand schlagen noch von den Medien", ruft Duarte.
Die führenden Tageszeitungen ABC Color und Última Hora nämlich dokumentieren seit Wochen die geplanten Wahlfälschungen. Wählerlisten mit bereits verstorbenen oder kurzfristig "umgezogenen" ParaguayerInnen, Manipulationen mit gefälschten oder einbehaltenen Ausweisen, Bestechung von WählerInnen oder Wahlleuten der Opposition - wohl in keinem anderen lateinamerikanischen Land ist Wahlbetrug so erfinderisch. "Lugo braucht mindestens 10 Prozent Vorsprung, damit er trotz der Fälschungen gewinnen kann", schätzt der Politologe Tomás Palau.
Leser*innenkommentare
Kirsten Liliane Lüke
Gast
Leider ist es wahr: "wo wirtschaftlich nichts zu holen ist, besteht auch kein Interesse..." Als Deutsch-Mexikanerin in Mexiko, musste ich 2006 nicht nur den Wahlbetrug der rechts-konservativen Partei PAN miterleben, sondern auch die gleichen Methoden der Defamierung und die Schmutzkampagnen gegen den linksorientierten Sozialdemokraten A. M. López Obrador.
Die Colorado Partei scheint sich gut die Methoden abgeguckt zu haben. Auch damals hat das "Ausland" und die ausländische Presse "nichts gesehen haben wollen", wobei die Beweise des Wahlbetrugs im überfluss existieren.
Paraguay hat aber im Gegenzug zu Mexiko das Glück gehabt, dass solch ein Betrug nicht so ausgekatert war und daher Lugo gewinnen konnte. Die Tendenz zu einer linksliberalen Politik in Lateinamerika bricht nicht ab. Und nach wie vor ist Lateinamerika für die EU und erst Recht für Deutschland uninteressant.
Peter Kluth
Gast
Ich lebe seit etwas mehr als 2 Jahren in Paraguay. Wie es aussieht hat Lugo mit knapp 10% Vorsprung gewonnen. Interessant die Aussage des AA. Wo wirtschaftlich nichts zu holen ist, besteht auch kein Interesse an einer demokratischen Entwicklung.
Werner Dörr
Gast
Super, die TAZ ist bislang die einzige deutschsprachige Zeitung, die ich gefunden habe, die der Wahl in Paraguay in diesen Tagen mehr als einen Artikel widmet und auch die Brutalität der Wahlfälschungen offenlegt.
Nun sollten Sie auch noch darauf hinweisen, dass die Colorados selbst den politischen Mord diskutieren und dass auch ein Wahlgewinn Lugo nicht davor schützen kann, an einer Machtübernahme noch gehindert zu werden. Internationale Aufmerksamkeit ist dringend erforderlich!
Das Auswärtige Amt hat mir soeben auf Nachfrage mitgeteilt, dass die EU-Kommission eine von Deutschland angeregte Wahlbeobachtung abgelehnt habe! Öl, Kupfer und Diamanten in Afrika sind Brüssel allemal wichtiger als die Demokratieentwicklung in Lateinamerika. Und die Bundesregierung "beobachtet die Lage vor Ort und hofft auf einen insgesamt friedlichen und korrekten Wahlablauf" (so das AA in einer heutigen e-mail an mich).
Werner Dörr, Politikwissenschaft, Universität Koblenz