Kommentar Spähangriff: Tabu für alle

Statt mehr Überwachungsbefugnisse zu fordern, sollte sich die Polizei einfach einmal geschickter anstellen. Andererseits: allzu große Aufregung über den Spähangriff ist unangebracht.

Die Polizei macht sich unbeliebt. Bekommt sie eine neue Befugnis wie den großen Lauschangriff, will sie gleich die nächste Befugnis wie den Spähangriff, um den Lauschangriff zu optimieren. Die Polizei möchte das Geschehen in den betroffenen Wohnungen auch noch optisch überwachen, damit sie die einzelnen Gesprächsbeiträge den überwachten Personen besser zuordnen kann.

Man sollte Polizeibefugnisse aber nicht vom optimalen Zugriff auf die Lebenswelt der Bürger her konzipieren. Dagegen spricht schon, dass bei der Polizei ohnehin viel schiefläuft. Wird etwa die Wanze im Fernseher versteckt, wie neulich in Mainz geschehen, muss sich die Polizei nicht wundern, dass sie vor lauter Fernsehlärm nichts versteht. Auch bei Mikros im Sofa könnte man sich denken, dass knarzende Federn die Aufzeichnung von Gesprächen behindern. Soll die Polizei sich also lieber selbst geschickter anstellen, bevor sie noch tiefer ins Leben der Bürger eindringt.

Sinn ergibt die optische Überwachung möglicherweise, wenn es nicht um Gespräche, sondern um das Geschehen in der Wohnung geht. Wird Sprengstoff zusammengebraut oder bekommt ein Beamter Geld zugesteckt? Aber im Zweifel sieht man dann doch wieder zu wenig. Woher soll die Kamera wissen, was im Kochtopf ist, und ob in dem Briefumschlag tatsächlich Geldscheine stecken.

Man sollte die Aufregung über die Unersättlichkeit der Polizei aber auch nicht übertreiben. Spähangriffe sind zahlreichen Landespolizeien längst erlaubt, von Exzessen ist bislang nichts bekannt geworden. Im dem neuen Gesetzentwurf geht es nur darum, ob auch das Bundeskriminalamt diese Spähbefugnis erhält. Wer sich durch die Landespolizei nicht bedroht gefühlt hat, sollte nun bei der Änderung des BKA-Gesetzes nicht um das Ende seiner Privatsphäre fürchten.

Wenn man neue unantastbare Refugien für die Privatsphäre reklamiert, müssen vielmehr alle Polizeigesetze in Bund und Ländern sowie die Geheimdienstgesetze überprüft werden. Tabu ist die Wohnung nur, wenn sie für alle Sicherheitsbehörden zu allen Zwecken tabu ist.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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