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Exzentrische KapitalismusforscherEin ewiger Kampf

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Vor 125 Jahren stirbt Marx. Keynes und Schumpeter, die beiden größten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, werden geboren. Zwei neue Bücher helfen, diese Giganten wieder zu entdecken.

Die Marx-Brothers - Der Kapitalismus erlaubt viele Interpretationsweisen. Bild: dpa

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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3 Kommentare

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  • A
    Anne

    Keynesianistische Modelle waren schon sehr oft sehr innovativ. Schon die einstige Förderung von Künstlern wie L. v. Beethoven oder H. Heine (durch Fürst Rasumovsky, bzw. Salomon Heine) und vieler anderer gehört genau genommen auch dazu und die beiden genannten wären in einem Schumpetermarkt sehr bald sang- und klanglos untergegangen, weil ihnen z.B. ausreichendes Startkapital fehlte, um sich als innovative Unbekannte nachhaltig zu etablieren. Ein leider eher unerfreuliches Beispiel ist die Entwicklung der Atombombe(n) in den USA in den 1940ern. Welche positive Rolle ein Keynesianismus heute im Bereich Umweltpolitik haben könnte - Tausende die sonst zu Opfern des climate change in den nächsten Generationen würden, durch Zykone, Dürren etc, würden es uns danken - beschreibt Lester R. Brown in:

    Plan B 3.0: Mobilizing to Save Civilization ...

    (der überarbeiteten Neufaulage seines Buches: Plan B 2.0 - evtl. auch bald auf Deutsch)

  • BW
    bernhard wagner

    Der Kommentar von R.K. ist so stabil wie ein Kartenhaus, denn es gibt keinen Grund a priori anzunehmen, dass die Evolution nicht selbst ein sehr lange überlebensfähiges Modell à la Keynes hervorbringt.

     

    Ein anderer Irrtum, der weit verbreitet ist, auch an Univesitäten, ist die Meinung, das Modell von Keynes sei per se innovationsfeindlich. Das hängt aber sehr davon ab, wie innovationsfreundlich oder -feindlich die internen Strukturen inkl. der Haltungen/Einstellungen der beteiligten Personen sind (wie z.B. auch im Bereich der Forschung oder in einem Handwerksbetrieb u.s.w. - ob z.B. der Chef neue Ideen eines Lehrlings ignoriert oder nicht).

     

    Auch wird oft vergessen, dass das Neue keineswegs notwendig besser ist (zudem: besser in welcher Hinsicht?), oft sogar in manch relevanter Hinsicht schlecher als das ältere (unzählige neuere Geigen sind z.B. viel schlecher als einige aus dem 17. Jh. - um nur 1 Bsp. von x-Millionen zu nennen). Das bloße Dasein, den Erfolg, 'Sieg' gegenüber etwas anderem als Wahrheitskriterium zu nehmen ist ein tendenzieller Irrtum im phil. Pragmatismus und damit verwandt sind auch ökonomie-theoretische Trugschlüsse, z.B. im 1. Kommentar von R.K., die an Trugschlüsse im sog. Sozialdarwinismus erinnern - und es ist daher quasi konsequent, dass so manche Anhängerinnen/-er des Wirtschaftsliberalismus auch zu sog. "sozialdarwinistischen" Ansichten tendiert haben und es bis heute tun - übrigens sogar manche "Marxisten" (v.a. mit stalinistischem Touch) - wenn auch meist sich dessen gar nicht bewusst. Marx' von Hegel u. Darwin geprägte Geschichstauffassung ist selbst daran nicht ganz unschuldig. ... von vielen Biologinnen/-en mit ähnlichen Versatzstücken in ihrem Weltbild ganz zu schweigen. Das ist ein wirklich weit verbreitetes 'Mem' und viele Mutantenvorläufer davon auch sehr viel älter als 200 Jahre.

  • RK
    Rüdiger KALUPNER

    Der 'ewige Kampf zwischen Keynes und Schumpeter' ist in dem Moment entschieden und zu Ende, in dem die Erkenntnisse über die evolutionstheoretische Grundlage der evolutionslogisch nachfolgende 'Weltordnung des Schöpferischen' und deren Steuerungsysteminhalte in die öffentliche Diskussion geraten werden.

     

    Keynes Beitrag zur Wirtschaftspolitik wird einer vergangenen Epoche angehören, in der diese Evolutionstheoriegrundlage einer ordoliberalen Wirtschaftspolitik des evolutionsprozess-kreativen Fortschrittspfads noch fehlten, weil sie nicht erkannt waren. Seine Theorie und seine Praxisempfehlungen passten den Interessen der Kapitalgeber-Seite bestens - vor allem dadurch, dass er steigende Bruttoarbeitskosten als Naturkonstante betrachtete und die steuerungssystemischen Folgerungen (= Staatsverschuldung usf.) daraus zog. Eine kapitalstockmaximierende Wachstumszwangpolitik via Ersatz teuerer Arbeitsplätze durch steigende HighTech-Rationalisierungsinvestitionen wurde dadurch wirtschaftspolitisch, d.h. steuerungsinstrumentell möglich.

     

    Mit der ökosozialen Umfinanzierung der staatlichen und sozialen Leistungen (= Energie- und Kapitalstocksteuern statt Finanzierung durch den Faktor Arbeit und Mehrwertsteuer) wird aber erstmals die gesteuerte Senkung der Bruttoarbeitskosten möglich. Das ökosoziale Umfinanzierungsinstrumentarium erlaubt eine homöostatische Steuerung von Vollbeschäftigung - bei gesteuertem Rückgang der wöchentlichen Arbeitszeit .....

     

    Diese Steuerungssystemrevolution macht den Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor mit Namen KREATIVITÄT gegenüber Energie- und Sachkapitaleinsatz immer rentabler und die unternehmerisch-erfinderisch-menschliche Selbstleistung im Privaten und in der Wirtschaft wird immer mehr zunehmen - d.h. alle Menschen werden für ihre Selbstleistung, für ihren 'alternativen Lebensstil' und für die gemeinsame 'schöpferische Zerstörung' ihrer Abhängigkeitsbeziehungen, die in der Abhängigkeit von den gesellschaftlich angebotenen Fremdleistungen 'Energie und Sachkapital' besteht, finanziell prämiert, d.h. leistungsgerecht prämiert.

     

    Die nächste Weltordnung des Schöpferischen hat Schumpeter visioniert - ohne deren Steuerungsinstrumente erkannt zu haben.

     

    Diese sind: 1. die Faktorsteuern auf Energie, Sachkapital, Immobilien und Arbeit (=Lohnsummensteuer) 2. ein Zweiteinkommen für Jedermann (= Grundeinkommen), das den Produktivitätszuwachs verteilt, in dem es die Energie- und Sachkapital- -und Immobiliensteuern zur Finanzierung dies Zweiteinkommens anhebt.

     

    Dieses Steuerungsinstrumentenset wird die Vorherrschaft der Kapitalinteressen, d.h. den installierten kapitalstockmaximierenden Wachstumszwang-Tyrannen stürzen. Die Nachfrage nach Kapital wird strukturell sinken, ebenso wie der Energieverbrauch ....

     

    Mit dem Sinken von Kapitalstock und Kapitalnachfrage werden die Zinssätze für risikofreie Finanzanlagen in den Promillebereich fallen. Damit ist der heute so organisierte Kapitalismus, in der Form der Vorherrschaft der Kapitalgeberinteressen, begraben. Mit ihm ist es auch der Terror der Ökonomie. Die vielen Schumpeter-Unternehmer werden zum Träger des freien Spiels der Gestaltungs- und Wachstumskräfte, während der Staat nur noch mit einem einzigen Steuerungsinstrumentensatz in die Wirtschaft eingreift - den Faktorsteuern und dem Anstieg des Zweiteinkommens für Jedermann.

     

    Um der selbstzerstörerischen Wachstums- und Kapitalakumulation ein Ende zu bereiten braucht es also keine proletarische sondern nur eine KREATIVE WELTREVOLUTION, die ökosoziale Umfinanzierung. Das Reich der Freiheit kann logisch nur in einer Gesellschaft aufgebaut werden, in der die KREATIVITÄT, die Macht-Nr.1 im Evolutionsprozess, zur Herrschaft über die Konflikt-/Macht-Kämpfer und Konfliktausbeuter in der kulturellen Evolutionsstufe gekommen ist.