Deutscher Ruder-Achter: Technik statt Masse
Im deutschen Ruder-Achter wird kurz vor Beginn der Olympiasaison noch einmal kräftig durchgemischt. Beim Weltcup am Wochenende wird sich zeigen, ob das Team auf Medallienkurs ist.
DORTMUND taz Auch der oberste Knopf des Polohemdes war geschlossen, und so fiel es noch mehr auf, dass Dieter Grahn schlucken musste. "Sicherlich ist das eine mutige Entscheidung, die ein gewisses Risiko birgt", sagte der Ruder-Bundestrainer gestern in Dortmund, als der Deutschland-Achter vorgestellt wurde. Grahn baute das Flaggschiff in den vergangenen Jahren häufig nur auf einer Position um, zum Start der Olympiasaison setzt er gleich auf drei neue Crewmitglieder.
"Die Änderungen waren notwendig. Was nutzt mir das Eingefahrene, wenn sie es nicht draufhaben?", fragte der 64 Jahre alte Grahn, der im Frühjahr 2009 aufhören wird. "Gold zum Abschluss, das wäre natürlich ein Traum", sinnierte er über die Aussichten für die Spiele von Peking, die für den erfahrenen Steuermann Peter Thiede schon am Wochenende in München beginnen. "Im Prinzip geht es jetzt schon los mit der olympischen Regatta. Wer beim Weltcup vorn ist, hat beste Chancen, auch in Peking einen guten Lauf zu erwischen."
Zu den Neulingen im Achter gehören Jochen Urban und Sebastian Schmidt, die vor knapp drei Wochen in Brandenburg bei den Deutschen Kleinboot-Meisterschaften den Titel im Zweier ohne Steuermann gewonnen hatten. Auch die Zweitplatzierten Philipp Naruhn (dritter Neuling) und Florian Eichner, mit 22 Jahren der Jüngste, bekommen einen der begehrten Rollsitze zugeteilt. "In den vergangenen beiden Jahren hatten wir mehr Masse, jetzt haben wir mehr Technik", sagte Schlagmann Bernd Heidicker. Er gab auch schon den Rhythmus vor, als Deutschland 2006 WM-Gold gewann und im darauffolgenden Jahr Zweiter wurde. Außer Heidicker werden beim Weltcup-Auftakt Philipp Stüer, Thorsten Engelmann und Sebastian Schulte im Heck des Achters sitzen. Keiner von ihnen hatte bei den Kleinboot-Meisterschaften überzeugt. "Der Trainer hat uns die Pistole auf die Brust gesetzt. Wir müssen in München zeigen, was wir drauf haben", sagte Heidicker. Selbst ein Sieg könne den ohnehin schon großen Druck noch steigern, wenn "knapp hinter uns vier Boote etwa zeitgleich einlaufen". Bis zum Weltcup im polnischen Posen (20. bis 22. Juni) will Grahn, der die USA, Kanada und Großbritannien zu den ärgsten Rivalen um olympische Medaillen zählt, die endgültige Formation des Achters gefunden haben: "Wer dort rudert, wird auch in Peking an den Start gehen."
"Klar wollen wir gewinnen, aber Hauptsache ist, dass wir überhaupt eine Medaille holen", sagte Engelmann. Vor vier Jahren in Athen lief das Flaggschiff als viertes Boot ins Ziel ein. "Keine Medaille zu holen, wäre eine noch größere Enttäuschung als 2004", unterstrich Engelmann die auch intern sehr hoch gesteckten Erwartungen.
Je wertvoller das Metall sein wird, desto mehr Gewicht werden die Worte oder Gesten der Ruderer haben. So jedenfalls lautet die Logik von Sebastian Schulte: "Ein erfolgreicher Sportler verschafft sich viel mehr Gehör als einer, der da vielleicht nur als Tourist dabei ist", sagte er bei einer Fragerunde zur Menschenrechts- und Tibetproblematik. Der gerade in Cambridge promovierte Wirtschaftswissenschaftler deutete an, dass der Achter seine Meinung durchaus kundtun wird, denn "unter der Frage der Menschenrechte kann sich keiner wegducken". Nur eines wollte Schulte ausschließen: "Wir werden sicherlich keine orangenen Badekappen aufsetzen. Das passt nicht zur Farbe unseres Sponsors."
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