Nur für Liebhaber

VERLAGE IM NORDEN II Hans-Joachim Polleichtner veröffentlicht im hannoverschen Verlag Hohesufer.com seit fünf Jahren fast vergessene Texte von einst populären Autoren in der Originalfassung

„Ich will keine geglättete Fassung herausgeben“

HANS-JOACHIM POLLEICHTNER

Preziosen, nicht nur architektonische und museale, bieten die Flächenländer des Nordens, und es wäre verwunderlich, wenn das nicht auch auf die Verlagsszene zuträfe. In der Tat sitzen dort Etliche, die – aus reiner Liebe am Tun – Literatur hervorsuchen, die nicht unbedingt die Massen mögen und von der die Editoren bestimmt nicht reich werden. Sie tun es trotzdem. Wir stellen in loser Folge einige von ihnen vor.

Vor fast fünf Jahren hat Hans-Joachim Polleichtner in Hannover den Verlag Hohesufer.com gegründet. „,Die Innerste‘ von Wilhelm Raabe: Das war das erste Buch, das ich gemacht habe“, sagt er. „Es wurde gleich ein Bestseller. So ein Erfolg ist aber leider die Ausnahme.“

Polleichtner führt den Verlag allein – und da er keine Massenware produziert, lesen sich die Verkaufszahlen entsprechend: Mit mehr als 500 verkauften Exemplaren ist „Die Innerste“ das mit am besten verkaufte Buch aus dem inzwischen 26 Bände zählenden Programm. „Ich habe nichts dagegen, mit Büchern Geld zu verdienen und würde gerne davon leben“, sagt er. Dafür sehe er aber derzeit keine realistische Perspektive. „Ich muss akzeptieren, dass meine Bücher nur einen kleinen Leserkreis ansprechen.“

Der 54-Jährige hat Germanistik und Philosophie studiert und 20 Jahre bei einem Fachverlag für Steuerrecht gearbeitet. Als der dann pleite ging, machte sich Polleichtner als Mediengestalter selbstständig. Aber er wollte nicht nur Flyer, Anzeigen und Veranstaltungsprogramme im Kundenauftrag herstellen und gründete nebenbei seinen eigenen Verlag, um fast vergessene Texte und Autoren zu veröffentlichen, die ihm am Herzen liegen.

Zum Beispiel Ludwig Tieck. „Der war hinter Goethe mal der wichtigste deutsche Autor“, sagt Polleichtner. Aber heute kenne ihn kaum noch jemand. Viele seiner Texte seien nicht mehr erhältlich. „Dagegen will ich etwas tun“, sagt Polleichtner. Dieses Ausgraben vergessener Schätze liege ihm. „Ich suche dauernd Texte, die es verdienen, neu aufgelegt zu werden“, sagt er. Und die Wahl fällt mal auf gänzlich unbekannte Autoren und mal auf vergriffene Werke berühmterer Literaten. Sie müssen allerdings vor mehr als 70 Jahren gestorben sein, denn dann darf jeder ihre Werke veröffentlichen.

Hat er eins gefunden, sucht er erstmal nach der Originalfassung. „Ich will keine geglättete Fassung herausgeben, sondern eine buchstabengetreue Version“, sagt Polleichtner. So lässt er auch Schreibweisen wie „seyn“ oder „wüthen“ stehen, damit der Text authentisch bleibt.

Seinem Hang zum Ursprünglichen ist geschuldet, dass Polleichnter Titel wie Johan Jacob Bachofens „Griechische Reise“, Karl Emil Franzos’ „Aus Anhalt und Thüringen“ und Ferdinand Gregorovius’ „Corsica“ herausgegeben hat – historische Reisebeschreibungen von populären Schriftstellern aus dem 19. Jahrhundert.

Heute ist das literarischer Nebenschauplatz und Polleichtner ist entsprechend zurückhaltend. Zunächst druckt die Digitaldruckerei nur jeweils 50 Taschenbuch-Exemplare von einem Titel. Erst wenn die ausverkauft sind, gibt er weitere 50 Bände in Auftrag. „Ich bin kein geborener Geschäftsmann, aber ein vorsichtiger Mensch“, sagt Polleichtner und fügt hinzu: „Es ist möglich, anspruchsvolle Literatur zu verlegen, ohne sich finanziell zu ruinieren.“  JOACHIM GÖRES