Schwarz-grüne Kernkompetenz: Grün blinken, atomar denken

Aus Sicht der CDU ist die Atompolitik kein Hindernis für schwarz-grüne Bündnisse, womöglich aber für den eigenen Wahlerfolg im Jahr 2009.

Wo bitte geht's denn hier zum Ausstieg aus dem Ausstieg. Etwa nach links zu den Grünen? : dpa

Vor drei Wochen war der CDU-Generalsekretär noch stolz auf seinen schönen Satz. "Kernkraft ist für die CDU Öko-Energie", verkündete Ronald Pofalla, als er das Grundsatzpapier seiner Partei zur Umweltpolitik präsentierte. Einen Tag später erklärte Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen sogar ausdrücklich, die Union wolle verlängerte Laufzeiten der Atomkraftwerke zum Thema der Bundestagskampagne 2009 machen.

Inzwischen ist die Wortwahl vorsichtiger. Als Pofalla am Montag über die letzte Telefonkonferenz des CDU-Präsidiums vor der Sommerpause berichtete, setzte er andere Akzente. "Es geht weder um neue Kernkraftwerke, noch um die Frage, dass wir isoliert einen Energieträger in den Mittelpunkt irgendeiner Auseinandersetzung stellen", sagte der Generalsekretär.

Offenbar sind mittlerweile auch der CDU-Spitze Bedenken gekommen, ob die Partei mit ihrer Atomkampagne womöglich übers Ziel hinausschießen könnte. Das gilt allerdings nicht so sehr für die Frage möglicher schwarz-grüner Bündnisse. Schließlich wurde das Umweltpapier, das den Passus zu den verlängerten Laufzeiten enthält, unter der Federführung des Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust erstellt, der die erste Koalition auf Landesebene mit den Grünen führt.

Das Thema schien bestens zur Illustration der Doppelstrategie geeignet zu sein, die Schwarze und Grüne derzeit im Umgang miteinander fahren. Allein dadurch, dass die CDU die Umweltpolitik durch das entsprechende Papier so prominent aufgriff, konnte sie grün blinken. Zugleich bot das Atomthema die Möglichkeit, auch Unterschiede zu markieren - nicht zuletzt als Botschaft an konservative oder wirtschaftsnahe Wählerschichten, die sich durch das Hamburger Bündnis irritiert zeigten.

Und das, ohne eine schwarz-grüne Option auf Bundesebene dadurch auszuschließen. Kommt es bei möglichen Koalitionsverhandlungen nicht zu einer Einigung, bleibt es bei der bestehenden Rechtslage - also beim Atomausstieg. Für die Grünen-Spitze wäre das ein großer Erfolg, mit dem sie der eigenen Basis das Bündnis verkaufen könnte. Die CDU wäre in der Lage, eine Gegenleistung zu fordern. Ein wesentlich anderes Ergebnis käme auch mit der SPD nicht heraus, die mittlerweile auch unter Unionspolitikern als wahrscheinlichster Koalitionspartner über 2009 hinaus gilt.

Schwerer zu kalkulieren ist die Wirkung des Atomthemas auf die Wählerschaft. Schon jetzt zeigt sich, wie sehr der Streit die Bevölkerung polarisiert. Die CDU als Atompartei: Das steht konträr zu der bisherigen Strategie, mit einer populären Kanzlerin und einem weichgespülten Programm in der Mitte auf Stimmenfang zu gehen. Diesmal hat die Union der Konkurrenz kein Thema entwunden, sie hat ihr eines geschenkt.

Keiner hat das schneller gespürt als der niedersächsische Ministerpräsident, der schon seit Jahren um jedes Konfliktthema einen großen Bogen macht. Christian Wulff sprach sich in der vorigen Woche dagegen aus, die Atomenergie zum zentralen Wahlkampfthema zu machen: "Es wäre absurd, allein über die Frage nach den Laufzeiten von Kernkraftwerken die Auseinandersetzung zu suchen." In Niedersachsen liegt nicht nur das umstrittene Endlager Gorleben. Auch die Pannenserie im Atommülllager Asse II bei Braunschweig hat der Ministerpräsident frisch im Gedächtnis, wenn er über Atomkraft spricht. Sollte es bis zur Bundestagswahl in Deutschland oder andernorts auf der Welt zu ernsthaften Zwischenfällen kommen, hat die CDU ein Problem.

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