Siemens-China-Chef über Olympia: "Wir Deutsche machen aus allem ein Problem"
Der deutsche Manager Richard Hausmann verteidigt im Interview die Sicherheitsmaßnahmen in Peking. Woher kommt dann das China-Bashing anderer Unternehmen?
taz: Herr Hausmann, vor den Olympischen Spielen in Peking hat die chinesische Regierung Einschränkungen für die Wirtschaft verhängt. Deutsche Unternehmen beklagen sich darüber in der deutschen Presse. Sind ihre Klagen berechtigt?
Vorolympische Sommerhysterie oder echter Grund zur Besorgnis? Durch Schlagzeilen wie "China unterbindet den freien Warenverkehr" (FAZ) und "Milliardenfiasko durch Olympia" (Süddeutsche Zeitung) entstand der Eindruck, dass die chinesische KP den deutschen Unternehmen heftig zusetzt und im Zuge der Olympiavorbereitung alte planwirtschaftliche Methoden wiederentdeckt. Erstmals widerspricht nun der gewählte Vertreter der deutschen Unternehmen in China, Industrie- und Handelskammerpräsident Richard Hausmann. Die Spiele beginnen am 8. August.
RICHARD HAUSMANN, 47, ist Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Peking und Chef von Siemens in China.
Richard Hausmann: Wir Deutsche haben manchmal die Eigenschaft, aus allem ein Problem zu machen. Grundsätzlich sehen wir als deutsche Unternehmen in China die Olympischen Spiele als Chance und nicht als Problem.
Aber viele Ihrer Kollegen in Peking schimpfen, dass die chinesischen Behörden die Einreisegenehmigungen für deutsche Geschäftsreisende nicht mehr so reibungslos ausstellen wie bisher. Was sagen Sie dazu?
Es gibt tatsächlich Schwierigkeiten bei der Erteilung von Multi-Entry-Visas. Dabei ist es das legitime Anliegen Chinas in den Zeiten von al-Qaida, besondere Sicherheitsmaßnahmen für die Besucher der Olympischen Spiele zu treffen. Die Visa-Verschärfungen sind eine Facette davon. Das lässt sich im Vorfeld leicht kritisieren. Doch natürlich muss China gerade jetzt wissen, wer sich im Land befindet.
Rechnen Sie mit hohen Verlusten der in China tätigen deutschen Unternehmen während der Olympia-Zeit?
Ich habe die Bedenken gehört. Natürlich wird sich Peking während der Olympischen Spiele im Ausnahmezustand befinden. Doch unverhältnismäßige Geschäftseinschränkungen für deutsche Unternehmen sind nicht absehbar.
Besondere Sorgen machen sich deutsche Chemieunternehmen in China, deren Transporte drastisch eingeschränkt wurden.
Vielleicht überziehen einzelne ausführende Organe die Bestimmungen. Manchmal ist es schwierig, die genauen Maßnahmen der Behörden überhaupt zu erfahren. Aber damit müssen jetzt alle Unternehmen, auch die chinesischen, während der nächsten Wochen leben.
Hat die miese Stimmung unter deutschen Managern in Peking dann etwa andere Gründe? Will man endlich auch mal beim China-Bashing mitmachen?
Die Stimmung bei den deutschen Unternehmen in China ist gut. Wir stellen uns klar hinter Olympia. Olympia steht für uns für die noch größere Öffnung Chinas. Ein Boykott, wie er zu Hause teilweise diskutiert wurde, wäre der komplett falsche Ansatz gewesen. Denn die Bevölkerung arbeitet eifrig und mit viel Begeisterung für die Spiele.
Was hat Olympia der deutschen Wirtschaft gebracht?
Es gibt eine Reihe von Firmen aus Deutschland, die im Rahmen der Olympischen Spiele hier in Peking Aufträge bekommen haben. Das Volumen geht klar in die Milliarden. Aber auch China selbst profitiert nachhaltig von der Ausrichtung der Spiele in Peking, beispielsweise durch eine verbesserte Infrastruktur, Energieversorgung und Wasserqualität.
Gibt es trotz guten Geschäfts in der Volksrepublik nicht dennoch Legitimationsprobleme aufgrund der oft kritisierten Menschenrechtsverletzungen in China?
Die Menschenrechtslage in China ist natürlich nicht ausreichend. Man kann nun darüber streiten, mit welcher Geschwindigkeit sie sich verbessert. Aber die Entwicklung geht trotz aller Komplexität der gesellschaftlichen Parameter klar in die richtige Richtung. Dazu tragen die Olympischen Spiele ein gutes Stück bei. Dazu tragen wir als deutsche Unternehmen bei, indem unsere Vorstellungen vom Recht der Arbeitnehmer gerade in ein neues Gesetz gegossen wurden. Die deutsche China-Kritik ist für uns kein Grund, die moralische Legitimation unserer Geschäfte hier anzuzweifeln.
INTERVIEW: GEORG BLUME
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