Kommentar Festnahme von Karadzic: Spät, aber enorm wichtig

Mit der Festnahme von Karadzic verliert die "Kultur der Straflosigkeit" ein Stück ihrer Allmächtigkeit. Der Schutz des Einzelnen vor Repressionen der "eigenen" Obrigkeit wird gestärkt.

Mit jedem erfolgreichen Prozess gegen mörderische politische Potentaten und deren Helfershelfer zerbröckelt der eherne Schutzwall, der Staatsterroristen vor Verfolgung schützt, verliert die "Kultur der Straflosigkeit" ihre scheinbare Allmächtigkeit. Insofern kommt die Festnahme von Radovan Karadzic spät, aber nicht zu spät.

Das von der UNO eingesetzte Jugoslawien-Tribunal in Den Haag hatte bereits im Sommer 1995 sein Urteil gegen die beiden Hauptkriegsverbrecher im bosnischen Bürgerkrieg, Karadzic und Branko Mladic, veröffentlicht. Das war unmittelbar nach dem Blutbad von Srebrenica.

Aber nach dem Abschluss des Dayton-Abkommens im gleichen Jahr dachten die westlichen Signatarmächte jahrelang trotz dringlicher Aufforderungen der Haager Ankläger nicht daran, die Gesuchten festzunehmen. Dass jetzt Karadzic verhaftet wurde, ist sicher das Resultat des Kurswechsels der neuen serbischen Regierung Richtung EU. Denn die EU ist schließlich doch auf die Linie eingeschwenkt, ein Kooperationsabkommen mit Serbien von der Festnahme der gesuchten Verbrecher abhängig zu machen. Mag also der Haftbefehl von serbischer Seite der Taktik geschuldet sein - das Resultat, Karadzic baldige Überweisung an das Haager Tribunal, weist politisch weit über dieses Manöver hinaus.

Die Spruchpraxis der UNO-Tribunale zu Jugoslawien und Ruanda war unparteiisch, also nicht abhängig von Großmachtinteressen. Sie war strikt rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet und - trotz des großen Zeitaufwandes - auch effektiv. In ihr materialisiert sich eine bedeutsame Wandlung des Völkerrechts. Weg von dem undurchdringlichen staatlichen Souveränitätsanspruch und hin zum Schutz des Einzelnen vor Unterdrückung auch durch die "eigene" Obrigkeit.

Karadzic - und hoffentlich auch Mladic baldige - Festnahme sind Hoffnungszeichen. Auch für die Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, die gegen den sudanesischen Potentaten el Beshir Haftbefehl beantragt haben. Mag ihr Antrag auch von den "Realisten" belächelt werden. Im Fall Karadzic zumindest hat Standhaftigkeit und Mut der Justiz den Sieg davongetragen.

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