Wütende Austrittswelle im Bauernverband: Milchbauern rebellieren gegen Bauern

Immer mehr Bauern, die Milch produzieren, verlassen den Bauernverband - denn der vertritt die Interessen der Industrie und nicht ihre, sagen sie.

Wie hier in Erkheim treten bundesweit wütende Milchbauern aus dem Bauernverband aus. : dpa

BERLIN taz Ein Blick auf die Meldungen dieses Monats zeigt: Auf dem Lande gibts Ärger. In Erkheim im Unterallgäu etwa fahren am 13. Juli 60 Milchbauern mit ihren Treckern vor das Gebäude des Bayerischen Bauernverbandes - und kündigen. Zwei Wochen zuvor Aufruhr in Nordrhein-Westfalen: In Borken ziehen Bauern vor die Büros des westfälisch-lippischen Landesverbandes. Auch sie geben ihre Austrittserklärung ab.

Zu den Borkener Bauernrevoluzzern gehört Milchbauer Johann Harker. "Meine Familie ist seit 60 Jahren im Bauernverband organisiert", sagt der 41-jährige Harker. Doch nun hat der Mann mit dem 60 Hektar großen Hof die Nase voll. Der Deutsche Bauernverband "vertritt die Interessen der Lebensmittelindustrie stärker als die der Bauern", kritisiert er. Viele Milchbauern fühlen sich vom Bauernverband alleine gelassen. Lange Zeit hatte er einen Alleinvertretungsanspruch. 90 Prozent der 380.000 deutschen Bauern waren Mitglied.

Von Kühen lässt sich nicht mehr gut leben. Jedes Jahr geben 15.000 Milchbauern auf. Der Bauernverband animiert seine Mitglieder mehr Milch zu produzieren, um dem Ruin zu entgehen. Doch für Landwirte kleiner Höfe ist das keine Lösung. Bauer Harker hatte vor fünfzehn Jahren 25 Kühe, heute hat er 80 im Stall. "Das hat aber nichts gebracht", meint er. Alles ist teurer geworden - der Diesel, das Saatgut, das Futter, nur für die Milch gibts immer weniger.

Dann hörte Harker vom BDM, dem Verband der Milchbauern. Diese Oppositionsbewegung gründete sich schon 1998 in Bayern. Städter nahmen ihn kaum wahr, auf den Dörfern machte er bundesweit von sich reden. 30.000 Landwirte schlossen sich an. Harker ist in NRW Regionalvorsitzender der Milchbauern: "Wir produzieren mehr Milch, als wir verbrauchen, die Überschüsse müssen weg !" Er setzt auf Streik, Blockade, Boykott - wenn sich nichts tut.

Dem BauernverbSand ist das zu radikal. Vorsitzender Gerd Sonnleitner lehnte gerade wieder Lieferboykotte ab, das sei "kontraprouktiv". In den Mitgliedszahlen aber kann sich der Aufstand kaum spiegeln. Harkers Mitgliedschaft im Bauernverband zum Beispiel erlischt erst 2009 - so lang ist die Kündigungsfrist. HANNA GERSMANN

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