Hilfe beim Berufseinstieg: Migrant und selbstbewusst
Der Verein Jumbo hat es sich zur Aufgabe gemacht, jungen MigrantInnen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Gründerin Ayse Öktem hatte selbst mit Hürden zu kämpfen.
"Kann ich Ihren Hauptschulabschluss sehen?" fragt der Beamte. Ayse Öktem sitzt beim Arbeitsamt und möchte eine Arbeitserlaubnis. Das Problem: Sie hat keinen Hauptschulabschluss. Die Türkin hat Abitur und einen Universitätsabschluss. Beharrlich fragt der Beamte nach ihrem Hauptschulabschluss, beharrlich zeigt sie ihm ihr Magister-Abschlusszeugnis. "Wo haben Sie das denn her?", fragt er schließlich. Da reicht es ihr: An diesem Tag stürmt Ayse Öktem aus dem Arbeitsamt - wütend und ohne Arbeitserlaubnis.
Das war zum Glück Anfang der 90er Jahre und ist lange her. Heute ist es anders, möchte man meinen. Ayse Öktem sieht das anders: "Lange traute man den Migranten wenig zu, das hat sich bei den Jugendlichen eingeprägt: Sie haben wenig Selbstbewusstsein." Die Türkin hat es dem Arbeitsamt zum Trotz weit gebracht und ist heute Leiterin des Hamburger Vereins "Junge MigrantInnen / Beruf und Orientierung", kurz: Jumbo.
Wie viele andere Vereine in Deutschland hat es sich auch Jumbo zum Ziel gemacht, jungen Migranten bei dem Einstieg in das Berufsleben zu helfen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Mit einem kleinen, aber wichtigen Unterschied: Die Angestellten im Verein haben alle eine Migrationshintergrund oder Migrationserfahrung. Sie haben die gleichen Erfahrungen gemacht, wie die Jugendlichen, die zu ihnen kommen. "So sind wir nicht nur Helfer, sondern auch Vorbilder und Freunde", sagt Öktem. Speziell auf Migranten abgestimmt, bietet der Verein Programme wie "Deutsch als Zweitsprache", "Dolmetscherservice" oder "Hinführung zur Ausbildung".
Rawil Salachow, 22 Jahre alt, aus Russland besucht den Kurs "Hinführung zur Ausbildung". Letztes Jahr hat er seinen Hauptschulabschluss nachgeholt und hat bis dahin drei verschiedene Maßnahmen des Arbeitsamtes besucht. Erst bei Jumbo fühlt er sich wohl: "Hier kümmern sie sich um einen - sie sind zwar locker, aber verfolgen auch ganz genau, ob wir regelmäßig erscheinen." Bei den anderen Maßnahmen des Arbeitsamtes habe man sich dafür wenig interessiert. Die Hauptschule hat er erfolgreich abgeschlossen und möchte ab Februar seinen Realschulabschluss an der Abenschule nachholen.
Zusätzlich zum bestehenden Angebot, startet der Verein nun einen Gesprächskreis mit prominenten Migranten. Vergangenen Donnerstag wurde die Runde mit dem Hamburger Rapper Samy Deluxe eröffnet. Zahlreiche Jugendliche erschienen zu der Veranstaltung und stellten dem Rapper Fragen zu seiner Karriere. Warum ausgerechnet ein Rapper ohne Schulabschluss und ungewöhnlicher Karriere? "Er ist bekannt unter jungen Leuten, er macht gute Sachen. Wir wollen mit dieser Gesprächsreihe auch zeigen, ihr könnt machen, was eure Vorstellung ist, ihr könnt es erreichen." sagt Öktem. Schöner Nebeneffekt: Neben den zahlreich erschienen Jugendlichen, kamen auch viele Medienvertreter. Der Verein freut sich über die Öffentlichkeit. "Wir konnten uns bisher kaum um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern - dafür hatten wir einfach keine Zeit."
Jumbo wurde Anfang 2006 von Mook wat e.V. gegründet, einem Verein, der sich seit 25 Jahren um die Vermittlung besonders von Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen bemüht. Die Idee zu Jumbo aber kam von Ayse Öktem selber: "Schon in meiner Kindheit hieß es immer: Man spricht viel über Ausländer, aber nur wenig mit ihnen." Ayse Öktem stört sich auch an einem ganz anderen Problem: In Hamburg leben Menschen aus etwa 43 Nationen. Die größte Gruppe stellen neben Türken und Polen auch Serben und Afghanen. Serbische und afghanische Jugendliche kommen meist aus Kriegsgebieten und bringen traumatische Erfahrungen mit. Von ihnen werde verlangt, dass sie genauso funktionierten, wie "deutsche Kinder, die hier geboren, aufgewachsen und nie erschüttert worden sind - das geht gar nicht.", sagt Öktem. Sie fordert mehr Verständnis und Rücksicht für die Probleme von Migranten.
Ihr konnte damals niemand helfen: Mit Abitur und dem Magisterabschlusszeugnis in der Hand stand sie alleine da. Das Arbeitsamt hat sich inzwischen bei ihr entschuldigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!