Busfahren wird Privatsache

Der Nahverkehr am linken Niederrhein wird privatisiert. Der Kreis Wesel verkauft seine Aktien-Mehrheit am Verkehrsunternehmen NIAG. Kritiker befürchten Nachteile für Mitarbeiter und Kunden

VON HOLGER PAULER

Busse und Bahnen am linken Niederrhein wechseln den Besitzer. Der Kreis Wesel will 51 Prozent seiner Aktienanteile an der Niederrheinischen Verkehrsbetriebe AG (NIAG) an das Mainzer Unternehmen Rhenus Keolis veräußern. Dadurch liegt die Mehrheit der NIAG und damit des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) am Niederrhein demnächst in privater Hand. Landrat Angar Müller (SPD) wird gemeinsam mit den Geschäftsführern der Verkehrsbetriebe die Verträge unterzeichnen. Damit wird der Kreistagsbeschluss vom 15. Juli 2004 umgesetzt, nachdem der Einspruch der Krefelder Stadtwerke (SWK) und der Bietergemeinschaft mittelständischer ÖPNV-Unternehmen (BmO) vor der Vergabekammer Düsseldorf zurück gewiesen wurde. SWK und BmO hatten ebenfalls Interesse am NIAG-Aktienpaket bekundet, konnten aber im Preispoker nicht mithalten.

„Für den Kreis Wesel ist der morgige Mittwoch ein trauriger Tag“, sagt Hubert Kück, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Weseler Kreistag. Ein strategisch hervorragend ausgerichtetes Unternehmen werde ohne Not verkauft. Die Grüne Fraktion war die einzige, die dem Verkauf im vergangenen Jahr nicht zustimmte. „Ursprünglich war auch die SPD mit dabei“, sagt Kück. Allerdings hätten sich die Sozialdemokraten verpokert. SPD, CDU und FDP hatten einen Gutachter beauftragt, die Möglichkeiten einer Privatisierung zu erörtern. Nachdem der Gutachter zu einem positiven Ergebnis gekommen war, wollte die SPD die Privatisierung ablehnen, das Gutachten war aber bereits verkaufsbindend.

Arbeitervertreter befürchten Einschnitte für die Angestellten. „Rhenus-Keolis ist bereits an anderen Verkehrsbetrieben beteiligt. Der Ruf der Firma ist nicht gerade der Beste“, sagt ein Mitglied des NIAG-Betriebsrates. Mehr wolle er aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Aus dem Bezirk Linker Niederrhein der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di heißt es lediglich: „Wir sehen uns derzeit außerstande, den Vorgang zu kommentieren.“

Der Kreis Wesel verpflichtet sich, Rhenus Keolis drei Jahre lang jeweils 8,5 Millionen Euro Verlustausgleich für die defizitäre NIAG zu zahlen, danach übernimmt Rhenus Keolis mögliche Ausfälle. Bis zum Jahr 2011 werde der Kreis durch diese Teilprivatisierung um insgesamt 42,5 Millionen Euro entlastet, teilte ein Kreissprecher mit. In den vergangenen Jahren konnte die NIAG die Zuzahlungen der Kreise Wesel, Kleve und Duisburg trotz Erweiterung des Angebotes regelmäßig senken – zuletzt lagen die Zahlungen bei knapp elf Millionen Euro. „Die Arbeitsplätze der Angestellten sind aber nicht gefährdet“, heißt es weiter. Rhenus Keolis habe zugesichert, sich bis Ende 2011 an die bestehenden Tarifabschlüsse zu halten und keine Stellen abzubauen. Auch an den Leistungen des ÖPNV werde sich nichts ändern, da der Kreis immer noch über den Nahverkehrsplan bestimmen könne, welche Strecken abgefahren werden.

„Die Sichtweise ist dennoch kurzfristig“, sagt Hubert Kück. Er befürchtet, dass Rhenus Keolis nach Vertragsende im Jahr 2012 nur unter günstigeren Bedingungen weiter arbeiten werde: „Wenn alle Synergieeffekte ausgenutzt sind, Stellen abgebaut wurden, der Service runtergefahren wurde, wird sich Rhenus Keolis von der NIAG im Notfall trennen“, so Kück. „Der Kreis Wesel zahlt danach in jedem Fall drauf.“

Werner Simon, Sprecher des NRW-Landesverbandes im Verkehrsclub Deutschland (VCD-NRW) begrüßt den Wettbewerb: „Die Pünktlichkeit muss dabei zunehmen und das Angebot darf natürlich nicht eingeschränkt werden“, so Simon. Privatisierungen hätten in der Vergangenheit von Fahrgastseite sehr viel Lob bekommen. So sei zum Beispiel der Service auf der S-Bahn Linie 28, von Kaarst über Neuss, Düsseldorf und Erkrath nach Mettmann, seit der Privatisierung im Jahr 1999 stetig besser geworden. Die Fahrgastzahlen haben sich zwischen 2000 und 2004 von etwa 8.000 auf mehr als 16.000 verdoppelt. Die Regiobahn als neuer Betreiber der S28 denkt mittlerweile sogar über eine Verlängerung der Strecke nach Wuppertal, später nach Mönchengladbach nach.