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Ambrosia blüht in BerlinDie grüne Gefahr

Die Pollen der Ambrosia gelten als die gefährlichsten für Allergiker überhaupt. FU-Meteorologe und Grüne fordern genaueres Vorgehen der Bezirke

Sehr reizend: Blätter einer Ambrosia-Pflanze Bild: AP

Jetzt wird es wirklich ernst für Berlins Allergiker: Kaum ist die Heublüte überstanden, beginnt die neu eingeschleppte Pollenschleuder Ambrosia ihren Blütenstaub zu verbreiten. Die Ambrosia-Pflanze bildet besonders viele Pollen, und die sind hochgradig allergen: Schon 10 bis 20 Pollen pro Kubikmeter Luft reichen aus für eine gepfefferte allergische Reaktion mit Tränen und Augenjucken bis hin zu Asthma, Kopfschmerz und Heuschnupfen. Bei Birkenpollen reagiert die Nase beispielsweise erst, wenn zehn mal mehr Pollen auf die Schleimhaut treffen. Einige Experten sprechen deswegen vom weltweit stärksten Pollenallergen.

Untersuchungen in den USA zeigen zudem, dass ein Ambrosia-Heuschnupfen wesentlich häufiger in ein allergisches Asthma übergeht. Karl-Christian Bergmann von der Charité hält die amerikanischen Ergebnisse allerdings nicht für übertragbar. "Wir wissen noch nicht, ob Europäer auf die Pollen genauso reagieren wie Amerikaner." Der Allergologe forscht deshalb gerade selbst zu Ambrosia. Die Ergebnisse erwartet er im kommenden Jahr.

Der Meteorologe Thomas Dümmel vom Polleninformationsdienst der Freien Universität ist in seiner Wissenschaft schon weiter: Er hat in diesem Jahr Spitzenwerte von 50 Ambrosiapollen pro Kubikmeter Luft in der Pollenfalle auf dem Dach des Zeissplanetariums in Prenzlauer Berg gemessen. "Woher die Pollen kommen, ist schwer zu sagen. Möglicherweise sind sie aus Brandenburg herübergeweht oder von unentdeckten größeren Beständen in Berlin", sagt Dümmel. Ambrosia stammt eigentlich aus Nordamerika, inzwischen sei sie aber auch im Mittelmeerraum stark verbreitet und von dort auf dem Vormarsch nach Berlin. Vor allem billiges Vogelfutter mit Sonnenblumenkernen und manches Getreidesaatgut seien mit Ambrosia-Samen verunreinigt.

Im Sommer 2006 wurden in Berlin erstmals größere Bestände der Pflanze nachgewiesen. Die Gesundheitssenatorin und das Pflanzenschutzamt haben daraufhin ein Merkblatt im Internet veröffentlicht, das auf die Gefahren hinweist. Das Pflanzenschutzamt hat seither 187 Meldungen von Ambrosia aufgenommen und die Grünflächenämter angewiesen, die betroffenen Grünflächen und Mittelstreifen von der Pflanze zu befreien. Das Problem: Zwar ist Ambrosia nicht frostresistent, die Samen bleiben aber bis zu 40 Jahre im Boden aktiv, und bei ausreichend warmen Sommern breitet sich die Plage immer wieder aus. Daher müssen die Gärtner über Jahrzehnte hinweg ein Auge auf die betroffenen Stellen haben.

Meteorologe Dümmel geht davon aus, dass sich die Gefahr durch den Klimawandel noch verschärft, und findet, Berlin sei darauf noch nicht ausreichend vorbereitet. "Das Meldesystem in der Stadt ist noch nicht gut durchstrukturiert, auch fehlt es den Grünflächenämtern an Geld und Personal, um effektiv gegen Ambrosia vorzugehen."

Ähnliche Sorgen hat auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Heidi Kosche. "Ich befürchte, dass die Vorsorge durch die Grünämter in einigen Bezirken nicht ausreicht", sagte Kosche am Mittwoch zur taz. Außerdem müsste eine Absprache mit dem Nachbarland Brandenburg getroffen werden, wo Ambrosia teilweise stark verbreitet sei.

Der Leiter des Berliner Pflanzenschutzamts, Holger Schmidt, hält die Kritik an seiner Verwaltung für unbegründet. "Insgesamt funktioniert die Zusammenarbeit in Berlin bei der Bekämpfung von Ambrosia gut. Die Grünflächenämter reagieren zügig."

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