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BrückenstreitDie Brücke, die entzweit

Das deutsche Guben und das polnische Gubin, an den Ufern der Neiße, sind zum Zusammenwachsen verdammt. Umso leidenschaftlicher streiten sich die Bürgermeister

Eine Brücke soll verbinden. Dafür ist sie schließlich da. Auch wenn es nur eine kleine Holzbrücke ist, immerhin eine mit schöner Bogenkonstruktion, wie der neue Übergang zwischen dem deutschen Guben und dem polnischen Gubin. Die Brücke führt über die Neiße, die hier als arg unscheinbares Flüsschen gluckernd ihre Rolle als historisch-politisches Großsymbol ad absurdum führt. Zudem führt sie Niedrigwasser. Auf den Sandbänken am polnischen Ufer sitzen junge Männer mit freiem Oberkörper und trinken Bier. Auf den neuen Betonterrassen am deutschen Ufer sitzt niemand.

Dazwischen spannt die Brücke von Deutschland nach Polen, vom Westufer zur Theaterinsel, die so heißt, weil hier bis 1945 das Gubener Stadttheater stand. Es ging mit der gesamten Altstadt in den letzten Kriegsmonaten unter. Dann wurde die Stadt geteilt. Das Zentrum auf der Ostseite der Neiße kam zu Polen, die Industriegebiete auf der Westseite zu Deutschland. Das deutsche Guben, wenige Kilometer nördöstlich von Cottbus, hat heute knapp 20.000 Einwohner, das polnische Gubin 17.000.

Auf dem Steg ist nicht viel los, die Gubener und Gubiner flanieren lieber auf der Straßenbrücke 200 Meter südlich. Der neue Übergang kostete 655.000 Euro, drei Viertel davon zahlte die Europäische Union, ein Viertel die Stadt Guben. Zum Wegfall der Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Polen im vergangenen Dezember wurde er eröffnet.

Doch die Brücke trennt. Für die Bauaufsicht des polnischen Kreises Krosno steht fest: Sie ist ein Schwarzbau. Das bestätigt inzwischen auch das Infrastrukturministerium in Warschau. Eine polnische Baugenehmigung wurde nie beantragt. Ausdauernd streiten sich nun die Bürgermeister von Guben und Gubin, wer die Schuld für die verfahrene Situation trägt. Hat die Gubiner Verwaltung Unterlagen nicht weitergeleitet? Oder hat sie nie welche erhalten?

Keiner gibt nach. Auf deutscher Seite regiert Klaus-Dieter Hübner, Mitglied der FDP, auf polnischer Bartlomiej Bartczak, 30-jähriger parteiloser Jurist. "Herr Bartczak ist ein Lügner, so hart das klingt", sagt Hübner. "Herr Hübner lügt sehr geschickt", kontert Bartczak. Guben und Gubin vergelten Gleiches mit Gleichem.

Der Streit wirkt umso absurder, je länger er dauert. Erst auf Vermittlung des deutschen Landrats Dieter Friese (SPD) kamen die Stadthälftenchefs an einen Tisch. Friese will nun zusammen mit seinem polnischen Landratskollegen und der Wojewodin einen Kompromiss finden. Der Brückenstreit wurde zu peinlich: "Über Brandenburg lacht die Sonne, über Guben die ganze Welt", ärgert sich Friese. "Die Bürgermeister sollten sich lieber damit beschäftigen, die jetzt kommende EU-Förderperiode für gemeinsame Projekte zu nutzen." Das Ziel sei schließlich die "Doppelstadt" Guben-Gubin.

Dass ihre beiden Städte zusammengehören, dagegen haben eigentlich weder Hübner noch Bartczak etwas. Bartlomiej Bartczak hat schließlich sogar eine grenzüberschreitende Biografie: Erst war er Schüler an der Gubener Europaschule, dann studierte er Jura an der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder). Vor zwei Jahren übernahm der Nachwuchspolitiker das Gubiner Rathaus. "Hier kann man noch etwas tun; hier macht es Spaß, eine Stadt zu entwickeln", sagt der ehrgeizige Bartczak. "Man soll einmal sagen können, unter Bürgermeister Bartczak wurde hier etwas geschaffen."

Ironie ist dem bulligen Bartczak fremd, Aufbruchstimmung nicht: Er wirbt um Investoren, die offene Grenze ist sein Verkaufsargument. Bald werde es Ansiedlungen geben, verspricht er. Dass Deutschland die Grenzen für polnische Arbeitnehmer bis 2011 geschlossen halten will, ist sein Vorteil. "Für die Deutschen ist das ein Schuss ins Knie", sagt Bartczak und lächelt. Wenn es um die Wirtschaft geht, bleiben die direkten Nachbarn Konkurrenten.

Beste Freunde werden der altgediente und von vielen als "menschlich schwierig" bezeichnete Hübner und der jungforsche Bartczak sowieso nicht mehr. Doch Landrat Friese scheint Talent als Schlichter zu haben: "Gegen Ende wurde das Gespräch harmonisch", sagt er, "nachdem ich die Herren erst einmal darauf hingewiesen habe, dass man sich nicht in der Öffentlichkeit gegenseitig der Lüge bezichtigt." Für die Brücke soll nun bei den polnischen Behörden eine nachträgliche Baugenehmigung eingeholt werden. Friese fordert im Gegenzug, dass diese auf ein angedrohtes Bußgeld von umgerechnet 75.000 Euro verzichten.

Damit wäre in Guben und Gubin der Blick frei auf das zweite Symbol, das die Städte zu einer machen soll: die 700 Jahre alte Stadt- und Hauptkirche, die seit dem Frühjahr 1945 als Ruine auf der Gubiner Seite der Stadt als letzte Wunde des Krieges bröckelt. Seit einem Jahr hat der Kirchturm wieder eine Spitze, zum Teil ist sie aber noch Rohbau. Im Kirchenschiff wachsen Bäume, hunderte Tauben nisten. Bald soll die Ruine eine andere Rolle spielen - als wiederaufgebautes Objekt gemeinsamer Kraftanstrengung, als deutsch-polnisches Begegnungszentrum.

Symbole, wie man hier nur allzu gut weiß, haben ihre Tücken. Günter Quiel glaubt trotzdem daran. Der frühere Finanzchef der Viadrina-Universität hat einen Förderverein gegründet; auf polnischer Seite kümmert sich Jakub Bartczak, der jüngere Bruder des Bürgermeisters, um eine Stiftung für den Wiederaufbau. Beide Seiten sollen zusammenkommen - ausgerechnet in einer Ruine.

Kaum jemand in Guben und Gubin kann sich noch daran erinnern, dass hier einmal etwas anderes war als Trümmer. Für die Polen ist die Ruine ein Relikt einer früheren Epoche. Viele Gubiner wünschen sich erst einmal bessere Straßen in der Stadt und renovierte Wohnblöcke. Und auf der deutschen Seite kamen die meisten, die heute alte Gubener sind, erst in den 60er- und 70er-Jahren in die Stadt, angelockt durch die damals neuen Fabriken der DDR. Der 65-jährige Günter Quiel gehört dazu. Er war Chef der Qualitätskontrolle im Chemiefaserwerk, dem damals größten Betrieb der Stadt. Seit fast 50 Jahren lebt er nun in Guben. Er weiß, wie lange die beiden Stadthälften mit dem Rücken zueinander gelebt haben.

Schnell gehen mit dem Wiederaufbau muss es nicht, findet Quiel. "Es ist besser, wenn wir erst in ein, zwei Generationen fertig sind", meint er, "als wenn dort in drei Jahren ein Prachtbau steht und keiner geht rein." Ein Ort für Kultur könnte es werden, eine Ausstellung könnte in den Turmaufgängen gezeigt werden, ein Café auf der Aussichtsterrasse betrieben werden. Dieses Jahr werden erst einmal Trümmer geräumt. Umgerechnet 155.000 Euro kommen aus Warschau und von der EU; den Eigenanteil, den eigentlich die Kommune Gubin zahlen müsste, bestreitet der deutsche Förderverein.

Auch deswegen unterstützt Bartlomiej Bartczak den Wiederaufbau. "Die Kirche kostet die Stadt keinen Zloty", sagt er und argumentiert antik: "Wir brauchen Brot und Spiele. Brot gibt es durch neue Investoren. Und wenn die Leute Arbeit haben, wollen sie Spiele - also Kultur." Dafür fehlt freilich ein Ort: Weder Guben noch Gubin haben eine Stadthalle.

Gubens Bürgermeister Hübner kann weder mit römischen Argumenten noch mit symbolischen Plänen etwas anfangen. Seine Pläne sind sparsamer: "Der Turm muss begehbar gemacht werden, das Kirchenschiff geräumt, dann können da im Sommer Konzerte stattfinden. Mehr brauchen wir nicht. Wichtiger wäre ein ausgereifter Plan für die Entwicklung der Altstadt." Und da, gibt Hübner zwischen den Zeilen zu verstehen, versage Bartczak. "Mit seinem Vorgänger war es einfacher."

Hübner wirkt so, als ob er den Plan für die Doppelstadt am liebsten allein umsetzen möchte, ohne den Jungspund aus Polen. Und trotz aller Schlichtungsgespräche. "Die Kirche ist für die Polen doch nicht wichtig", sagt er dann noch.

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