Mord-Urteil gegen Deutsche in Schweden: In der Indizienkette

Ein schwedisches Gericht hat eine deutsche Studentin wegen Mordes schuldig gesprochen. Sie soll die Kinder ihres Exliebhabers getötet haben.

Vor Gericht: Verurteilte Deutsche (vorne) soll Kinder getötet haben. : dpa

Der Vater hatte noch keine Ahnung, was passiert war. Mitten in der Nacht des 17. März nahm die Polizei Torgny fest. Erst auf der Polizeiwache erfuhr er, dass seine einjährige Tochter Saga und der drei Jahre alte Sohn Maximilian tot waren. Mit einem Hammer ermordet wurden. Und dass er selbst unter Verdacht stehe, der Täter zu sein.

Als Torgny fünf Monate später und nunmehr als Zeuge vor dem Amtsgericht von Västmanland diese Nacht schildert, hatten es nicht nur viele ZuschauerInnen schwer, die Tränen zurückzuhalten. Nur einige Tage Ermittlungen hatte es gebraucht, bis er selbst frei von jedem Verdacht war. Doch erst als er in der Leichenhalle Abschied von seinen Kindern nehmen konnte, habe er begriffen, dass sie wirklich tot waren. "Meine Kinder wurden ermordet. Sie wurden abgeschlachtet wie Vieh. Der so etwas gemacht hat, hat keinen Funken an Menschlichkeit mehr", presste ein schluchzender Vater hervor.

An dieser Stelle der Zeugenaussage musste sich auch ein Schöffe die Augen trocknen.

Angeklagt ist nun eine 32-jährige Studentin aus Hannover. Torgny hatte sie im Sommer 2006 auf Kreta kennengelernt. Christine S. besuchte ihn danach mehrfach in Schweden, doch er wollte nichts mehr von ihr wissen. Er hatte sich für Emma entschieden, lebte mit ihr und dem Sohn in Arboga.

Christine wollte das nicht akzeptieren, immatrikulierte sich an der Universität Stockholm, wollte den Kontakt nicht abreißen lassen, glaubte, Torgny zurückgewinnen zu können.

Nach dem Mord, bei dem auch Emma, die Mutter der Kinder, durch Hammerschläge verletzt worden war, war Christine S. schnell in Verdacht geraten. Mordmotiv: Eifersucht. Die Anklagebehörde konnte das Bild einer psychisch labilen Frau zeichnen, die auch mit einem Selbstmordversuch und der Behauptung der Geburt eines angeblichen gemeinsamen Kindes Torgny wieder an sich zu binden versucht hatte. Die sein Familienglück nicht ertragen konnte.

"Du hast das Leben, das ich führen wollte", lautet eine ihrer an ihn gerichteten Tagebucheintragungen.

Und die Ermittler knüpften eine beachtliche Indizienkette: Fest steht, dass Christine S. am Tatabend des 17. März in Arboga war. Nach eigenen Angaben aus archäologischem Interesse. Sie habe dort eine Ausgrabungsstätte besucht und davon auch Fotos gemacht. Die habe sie später wieder gelöscht. Technische Untersuchungen der Speicherkarte ihrer Kamera ergaben, dass niemals Fotos von Ausgrabungsstätten gemacht worden waren. Dafür fand die Polizei auf ihrem in Hannover beschlagnahmten Laptop Bilder von Emmas und Torgnys Haus in Arboga. Die kann Christine S. nicht erklären.

Schon fünf Tage vorher, am 12. März, war sie in Arboga gewesen. Zeugen wollen sie in der Nähe von Emmas und Torgnys Haus gesehen haben. Spuren wurden sichergestellt, die von ihren Schuhen stammen könnten. Zwei Tage später war sie erneut dort. Eigentlich habe sie die Tat für diesen Tag geplant, meint die Staatsanwaltschaft. Doch Torgny war, statt zur Arbeit in der Stadt Köping, zu Hause - weil er sich nicht wohl fühlte. Erst am 17. März war er wieder zur Arbeit gefahren - und Emma war mit den Kindern allein in Arboga.

Am 18. März reiste S. nach Hannover zurück. Bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen Stockholm-Skavsta wird aus ihrem Gepäck ein Hammer beschlagnahmt. Den habe sie dabeigehabt, um ein Fahrrad zu reparieren, lautet ihre Einlassung.

Das Problem der Anklage: Es fehlt jeglicher technischer Beweis. Keine DNA-Spur knüpft Christine S. an den Tatort. Emma, die nach der Hammerattacke auf sie zwei Wochen lang im Koma lag und noch jetzt an Hör- und Sehstörungen leidet, hat Christine S. als Täterin identifiziert. Ein von der Verteidigung als Gutachter geladener Hirnforscher aber meint, aufgrund der Kopfverletzungen und ihres Schocks und weil sie früher ein Bild von S. gesehen habe, könne ihrer Aussage kein Glauben geschenkt werden. Schuldig oder nicht schuldig - es fehlt an Beweisen, meinen viele juristische ExpertInnen.

Am Dienstag befand das Schöffengericht von Västmanland Christine S. für schuldig. An der Entscheidung beteiligt: der Schöffe, der sich bei der Aussage des Vaters die Tränen getrocknet hatte. Er kommt aus der Nähe von Arboga, die anderen beiden Schöffen sind aus Arboga. Ein Doppelmord, und noch dazu einer mit solchen Begleitumständen und mit zwei kleinen Kindern als Opfer, würde überall Aufmerksamkeit wecken.

Für einen Ort wie Arboga mit seinen 10.000 EinwohnerInnen ist er ein Schock. Die Stimmung gegen die Angeklagte war teilweise hasserfüllt, sie erhielt Morddrohungen. Im Gerichtssaal saßen Wächter in schusssicheren Westen.

Es wäre schwer gewesen für dieses Schöffengericht, Christine S. nicht schuldig zu sprechen. Bevor es entscheidet, ob sein Urteil auf lebenslange Haft oder Einweisung in eine psychiatrische Anstalt lautet, soll die Angeklagte einer ausführlichen psychologischen Begutachtung unterzogen werden. Deren Ergebnis dürfte in fünf bis sechs Wochen vorliegen. Der Anwalt von Christine S. hat bereits vor dem Urteil Berufung angekündigt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.