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Angst vor Rache der MilizenKongos Menschenrechtler ohne Schutz

Erst half die Organisation "Justice Plus", Milizenführer aus dem Kongo vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Jetzt müssern die Menschenrechtler aus Angst vor Rache untertauchen.

Anhänger von Thomas Lubanga, Anführer der "Union des Patriotes Congolais" (UPC), drohen "Justice plus"-Mitarbeitern.

"Justice Plus" hat einen Krieg überstanden, sich mit Rebellen angelegt und Kriegsverbrechen dokumentiert. Heute herrscht Frieden im ostkongolesischen Distrikt Ituri - und die Menschenrechtsorganisation fühlt sich dort bedroht wie selten.

Grund ist, dass einige Milizenführer Ituris vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stehen. Die Menschenrechtsaktivisten leisteten dazu wichtige Vorarbeit, etwa durch Identifikation von Zeugen und Opfern. Doch Mitte Juni suspendierte der Strafgerichtshof wegen eines Streits um Beweismittel den Prozess gegen Thomas Lubanga, Anführer der "Union des Patriotes Congolais" (UPC). Gestern lief in Den Haag eine Frist ab, bis zu der Anklage und Verteidigung zur möglichen Wiederaufnahme oder Einstellung des Verfahrens Stellung nehmen konnten; eine Entscheidung steht unmittelbar bevor.

In Ituris Hauptstadt Bunia feierte die UPC nach der Suspendierung des Prozesses auf einer Demonstration die vermeintlich bevorstehende Freilassung ihres Führers. "Am nächsten Tag begannen die Morddrohungen durch UPC-Anhänger", erzählt Justice-Plus-Aktivist Christian Lukusha. "Zum Teil direkt auf der Straße, von Leuten, die wir kennen. Über Freunde wurde uns außerdem gesagt, dass unsere Steinigung geplant sei." Im Radio drohte ein UPC-Vertreter: "Wenn Lubanga freikommt, kommt die UPC in voller Stärke zurück. Dann werden diese NGOs verschwinden. Justice Plus, verteidigt euch, denn ihr seid Teil der Anklage, ihr seid eine Schande!"

Freunde rieten Lukusha und seinem Kollegen Joel Bisobo zum Exil. Sie gingen nach Uganda, bis ihnen das Geld ausging. Nun sind sie wieder in Bunia. Tagsüber sitzen sie in ihrem Büro, in der Nähe der UN-Zentrale. Nachts schlafen sie an wechselnden Orten.

Bunia ist ethnisch geteilt zwischen dem Volk der Hema, aus dessen Reihen die UPC entstand, und dem Volk der Lendu. Während der Kriege in Ituri zwischen 1999 und 2003 hatten die Milizen dieser Volksgruppen gegenseitige Vernichtungsfeldzüge durchgeführt. Die extreme Gewalt, denen Hema während des Krieges ausgesetzt waren, verfestigte das Denken in Stammeskategorien. Daraus leitet die UPC ihre Legitimation als Verteidiger der Hema ab. Als einzige der ehemaligen bewaffneten Gruppen Ituris konnte sie bei Kongos Wahlen 2006 Parlamentssitze gewinnen. Unbestreitbar ist die anhaltende Popularität Lubangas. In dem ehemaligen Klosterschüler fand die UPC einen charismatischen Anführer, der trotz seiner jahrelangen Inhaftierung nominell Parteichef bleibt.

Die Anklage gegen Lubanga in Den Haag beschränkt sich auf den Vorwurf, der UPC-Chef habe Kindersoldaten rekrutiert. Dies bestreitet nicht einmal die UPC selbst. Soziologieprofessor Karimagi Pilo, ein Hema, argumentiert: "Man muss den Kontext beachten. Diese Kinder waren in höchster Gefahr. Was ist dann die Wahl: Sollen sie geköpft werden oder in die Armee gehen?"

Lubangas anhaltendes Ansehen in Ituri verweist auf die Unzulänglichkeit der Aufarbeitung des Krieges im Kongo. Die bleibt bislang auf die internationale Justiz beschränkt. Und während Lubanga inhaftiert ist, bekleiden mehrere seiner ehemaligen Offiziere hohe Posten in Kongos Armee. Lukusha fürchtet, dass die Hema insgesamt Justice Plus nun feindlich gegenüberstehen. "Wir haben immer versucht, unparteiisch zu agieren, indem wir unsere Hilfe Opfern auf allen Seiten zur Verfügung gestellt und alle Kriegsparteien kritisiert haben. Die UPC aber hat sich nun auf uns konzentriert."

Die lokale Justiz bleibt weitgehend wirkungslos. Zwei Milizenführer, UPC-Generalsekretär John Tinanzabo sowie Yves Kahwa, Anführer der UPC-Abspaltung Pusic (Parti pour lUnité et la Sauvegarde de lintégrité du Congo), wurden erst in Bunia verurteilt und dann von einem Berufungsgericht freigesprochen. Tinanzabo ist inzwischen Abgeordneter im Provinzparlament. "Dies entmutigt uns natürlich", so Bunias Staatsanwalt Chris Aberi. "In Kongos Justiz gibt es zu viel politische Einflussnahme und Korruption. Der Strafgerichtshof ist die einzige glaubwürdige Instanz."

Um die Verfahren in Den Haag wieder in Gang zu bringen, soll Justice Plus nun der Aufhebung der Anonymisierung ihrer Arbeit zustimmen. "Aber unsere Sicherheit und die der von uns befragten Zeugen kommt zuerst", wehrt sich Lukusha. Inzwischen ist er mit seinem Kollegen wieder nach Uganda ausgereist. Sie hoffen, dass sie wenigstens eine Weile in Europa Asyl erhalten.

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