Christdemokraten: Jetzt hilft nur noch beten

Kurz nachdem Friedbert Pflüger angekündigt hat, für den Landesvorsitz der CDU zu kandidieren, predigt er von der Kanzel einer Kirche. Ingo Schmitt hat ihn nicht erhört. Er will CDU-Chef bleiben.

Bild: dpa

Nah am lieben Gott, da steht Friedbert Pflüger richtig. Denn seit der Christdemokrat im glaubensfernen Berlin sein Glück sucht, hat er gelernt: Auf die Fürbitte seiner Parteikollegen kann er nicht mehr vertrauen. Verstoßen haben ihn viele, verlassen. Sie haben den Glauben an ihn verloren. Jetzt steht er alleine, hier vor dem lieben Gott. Sagen wir mal: Amen.

Orgelspiel

Friedbert Pflüger hat treuen Beistand, als er an diesem Donnerstagabend in die Zwölf-Apostel-Kirche in Schöneberg einzieht. An seiner Seite: Ein großer, sanftmütiger Pfarrer, flankiert von brennenden Kerzen und einer stillen Gemeinde. Nur Orgel. (Pause.) Und Demut. (Natürlich.)

Gleich soll Friedbert Pflüger reden, an diesem Tag, an dem der Berliner CDU-Fraktionschef seinen Weg in die Hände seiner Parteikollegen legte, um noch ein Amt zu bekommen: das des CDU-Chefs. Doch wer die Berliner CDU glaubenstreu begleitet, weiß, was das für Friedbert Pflüger heißt: Gott sei ihm gnädig. Da steht er nun: vor dem Altar und hält den Kopf gesenkt. Und die Gemeinde singt:

"Lobet den Herrn, der alles so herrlich regieret."

Das Thema seiner Predigt: Warum engagieren sich Menschen in der Politik? Was treibt sie zu diesem Engagement? Welche Ethik treibt sie? Das wollen sie wissen, die 50 Lämmer Gottes, die heute zur "Politikerkanzel" gekommen sind, einer neuen Kirchenreihe in Schöneberg. Pflüger soll sie eröffnen. Einen Impuls soll er geben, der Mann an der Kanzel, und doch steht er allein. Für wen nur, für wen singt diese Gemeinde schon wieder?

"Bevor die Sonne sinkt, will ich den Tag bedenken. Die Zeit, sie eilt dahin, wir halten nichts in Händen."

Es ist Abend in Berlin, die Sonne sinkt und Friedbert Pflüger bedenkt bedächtig, was ihn treibt: Mütterliches natürlich und sein Glaube an Gerechtigkeit und die Erinnerung, wie er einst ein Fußballtor für die Dorfjugend aufstellte, und der Einsatz dafür, dass die Prostitution im Umfeld der Kirche verschwindet "oder sich jedenfalls diskreter verhält", und der Glaube an eine neue Stadt Berlin. All so was treibt Pflüger, sagt er.

Was er nicht sagt: Ihn treibt auch die CDU. Es ist der Abend zwielichter Dämonen, vielleicht der Vorabend seines jüngsten Gerichts. Und wenn die christdemokratischen Teufel, die ihn jagen und verführen, die ihn lockten und nun schmähen, wenn sie nicht bald vertrieben sind, dann wird es still um den Erlöser - und Herr Pflüger von der CDU muss wieder Fußballtore tragen.

"Sieh dein Volk in Gnaden an. Hilf uns, segne, Herr, dein Erbe, leit es auf der rechten Bahn, dass der Feind es nicht verderbe. Führe es durch diese Zeit, nimm es auf in Ewigkeit."

Friedbert Pflüger sitzt nun wieder. Auf seiner Bank. Es ist die erste Reihe, er der Starke. Und links und rechts von ihm, da wirkt es leer. So voller Hoffnung schallt die Fürbitte des Pfarrers in die große Stadt:

"Barmherziger Herr, schenke ihnen Fantasie und Kreativität - und den fröhlichen Mut zur Verantwortung. Lass sie fair und geschwisterlich miteinander umgehen", sagt der Pfarrer, "damit Gerechtigkeit und Friede sich küssen."

Jetzt hilft nur noch beten. Hilfts? Am nächsten Tag gibt Ingo Schmitt bekannt, dass er den Worten Pflügers keinen Glauben schenkt. Er will selbst Chef der CDU bleiben.

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