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Barrikadenkämpfe in spanischem UrlaubsortKampf um Drogen und Armut

Die Ermordung eines Senegalesen provoziert nächtelange Barrikadenkämpfe zwischen papierlosen Immigranten im spanischen Urlaubsort Roquetas del Mar.

Polizisten nach den Ausschreitungen. : dpa

MADRID taz Es ist vorbei mit der Urlaubsruhe. Im südspanischen Mittelmeerort Roquetas de Mar brennen seit zwei Nächten die Barrikaden. Der Stadtteil "200 Viviendas" (200 Wohnungen) - ein sozialer Brennpunkt - kommt nicht zur Ruhe, seit am Samstagabend der 28-jährige Senegalese Osman K. von einem Drogendealer, der unter dem Spitznamen "El Gitano" (Der Zigeuner) bekannt ist, erstochen wurde. Der Immigrant, der seit drei Jahren mit seiner Familie in Roquetas del Mar lebt und in der Landwirtschaft arbeitete, hatte versucht, einen Streit zwischen Landsleuten und "El Gitano" zu schlichten, als dieser ein Messer zog und zustach. Osman K. wurde im Brustbereich getroffen und verstarb kurz darauf. Beim Streit ging es, so die Polizei, um Drogen.

Noch bevor die Polizei eintraf, versammelten sich Dutzende von Schwarzafrikanern. Sie errichteten Barrikaden an den Zufahrten zum Stadtteil, bewarfen die Polizeifahrzeuge mit Steinen und Flaschen und steckten zwei Häuser in Brand. Auch die anrückenden Löschfahrzeuge wurden mit Steinen in Empfang genommen. Zwei Feuerwehrfahrzeuge wurden dabei schwer beschädigt.

In einem der in Brand gesteckten Häuser lebte der mutmaßliche Täter, der sich mittlerweile auf der Flucht befindet. Das andere Haus gehört einem Familienangehörigen von "El Gitano". Beide Adressen seien - so die Anwohner gegenüber der örtlichen Presse - in Roquetas de Mar als Anlaufstelle für Drogen bekannt.

Auch die nach Mitternacht angerückten Sondereinsatzkommandos der Guardia Civil bekamen die Lage trotz eines Hubschraubers, der sie aus der Luft dirigierte, nur schwer in den Griff. In der Nacht zum Montag wiederholten sich die Bilder. Einmal mehr errichteten die Schwarzafrikaner Barrikaden. Mehrere Polizeibeamte wurden verletzt, vier Schwarzafrikaner festgenommen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die sozialen Spannungen in der Provinz von Almería gewalttätig entladen. Bereits im Jahr 2000 machte das nur 25 Kilometer von Roquetas de Mar entfernt liegende El Ejido Schlagzeilen. Der Ort geriet eine Woche lang außer Kontrolle, nachdem ein marokkanischer Immigrant eine spanische Frau ermordete hatte. Die Einheimischen machten Jagd auf Immigranten.

Dieses Mal handle es sich um keine "rassistischen Ausschreitungen", erklärt Almería Acoge, eine NGO, die Immigranten ohne Papiere unterstützt. Die Ursache für die Ausschreitungen sei vielmehr "die schwierige Situation im Stadtteil selbst", erklärt der Sprecher von Almería Acoge, Juna José Castillo. "Jetzt ist das Ganze einfach explodiert."

Der Stadtteil "200 Viviendas" ist kein Einzelfall. In vielen spanischen Städten teilen sich mittlerweile spanische Gitanos und Immigranten die sozial schwachen Stadtteile. Wer keine Papiere hat, findet nur schwer Arbeit. Viele Immigranten betätigen sich deshalb als fliegende Händler für Kleidung und andere Produkte. Auch der Drogenhandel gerät immer mehr in die Hände von Immigranten ohne Aufenthaltserlaubnis. In beiden Aktivitäten sind von jeher die Gitanos überproportional vertreten. In den sozialen Brennpunkten findet ein bedingungsloser Verdrängungskampf statt.

Allein 2007 kamen trotz sich verschärfender Wirtschaftskrise knapp 1 Million neue Einwanderer nach Spanien. Viele von ihnen habe keinerlei Chance, eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis für Spanien zu bekommen.

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8 Kommentare

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  • BW
    bernhard wagner

    Vielleicht [Vorsicht, teils ironisch] meint "Durchgreifen" ja, dass wir Kulturen, wie die Kultur der DVU, NPD, Scientology, Büso, Menschenhändlerringe (oft mit Prostitutions- u. Drogenkartellen verzahnt), dazu (ggf. auch mit Schnittmengen) die Kultur der Frauen- und Kinderschläger in Deutschland u.s.w., die ja bislang alle sehr toleriert werden, dass wir Praktiken dieser Kulturen also künftig schneller als Verstoß gegen die Grundsätze des Grundgesetzes bewerten und entsprechend handeln sollten ... (naja, zugegeben, die verstecken sich oft recht geschickt, sei es physisch oder sei es verbal, damit ihnen nicht so schnell 'was nachgewiesen werden kann ...).

     

    - und wie z.B. nadine & Bark Wind zurecht andeuten, auch gegen die Kultur globler und lokaler Ausbeutung & Benachteiligung (& Umweltzerstörung etc.) sollten wir konsequenter durchgreifen.

  • N
    nadine

    wenn wir nicht immer alles doppelt und dreifach im schrank stehen haben müssten, noch dazu zu spottpreisen und mit absichtlich vor den zuständen der produktion und rohstoffgewinnung verschlossenen augen gekauft, dann wäre schon ein schritt in die richtung verbesserter lebensbedingungen in entwicklungsländern getan. es ist schon sehr einfach, von komplexen zuständen und der erwartung eines knalls zu schreiben. jeder, der ab und zu mal eine halbwegs normale zeitung liest und mit offenen augen um sich kuckt, sollte wissen was in der welt vor sich geht und wie die grundlegenden zusammenhänge von geld, macht, politischer situation und armut geknüpft sind. statt zu lamentieren, zu bedauern und zu warten wer wann was vielleicht mal ändert, kann jeder einen klitzekleinen beitrag leisten. beim umweltschutz hat deutschland auch eine vorreiterrolle ausgeübt, ich errinnere mich, mit der schule müll gesammelt zu haben. dies hat sich auf eine deutsche umweltschützende gesellschaft ausgewirkt - auch wenn sie etwas träge wird; kauft doch ab und zu mal mal fairtrade, liebe mitbürger kauft im bio-baumwoll laden, benutzt das fahrrad. tut einfach so, als hättet ihr ein gewissen, das an die folgen und zusammenhänge denkt und als würde euch die umwelt, die gesundheit, das klima und vor allem der mensch wirklich interessieren.

  • V
    vic

    @Durchgreifen

    Es wird nicht jeder als Arier geboren.

    Gücklicherweise.

  • PM
    Pas Materski

    Guten tag,

    ja von Lossen einfach immer nur beim Wort nehmen solche Leude.

    Es ist immer dieselbe leier, aber so weisste immer wasse grade denken. Und es bedarf keinerlei re-interpretation des gesagten.

    Einfach mal vom Blatt ablesen, und ernst nehmen, bingo....

  • BW
    Bark Wind

    @ Durchgreifen: Bodenlose Ahnungslosigkeit über einige kausale Zusammenhänge und die globalen Zustände! Systematische Ausbeutung und Behinderung jeder nachhaltigen Entwicklung gegenüber Afrika seitens Europas, Nordamerikas etc. - schon mal was davon gehört. Es gibt auch 'interne' Ursachen in diesen Ländern, aber die sind fast untrennbar mit den externen verknüpft - oft sogar selbst Folgen von externen (z.B. ist Korruption wesentlich mit-verursacht von Armut, und diese ist hier primär extern provoziert).

     

    Beispiel: Die europäischen industriellen Fischfangtrailer fischen seit Jahrzehnten die afrikanischen Küsten leer, z.B. vor Westafrika, so dass dort bereits zig Millionen Fischereifamilien (die mit ihren kleinen Booten nichts mehr fangen) ruiniert und in der totalen Verarmung sind.

     

    Von Diamenten bis Gold, Coltan (für Handys unentbehrlich) etc. ließen sich Tausende andere Beispiele finden, auch vermeintliche Wohltaten sind oft nichts als verdeckte Subventionierung europäischer Unternehmen (vgl. subeventionierte Agrarexporte aus der EU, die langfristig die dortigen Kleinbauern ruinieren).

     

    Die Mehrheit der Menschen in Afrika, jenseits einiger elitärer Minderheiten, hat wenig Chancen viel zu ändern, oft dazu in Kriege verwickelt (oft durch Zwangsrekrutierungen), von denen Europas oder Nordamerikas oder Chinas u.a. Unternehmen ebenfalls mehrfach profitieren, z.B. weil dadurch Gold oder Diamenten und andere Rohstoffe, auch Kaffee, Schwarztee u.a. Dinge, billiger sind, als wenn sie mit fairen Löhnen in demokratischen Staaten 'erzeugt' und regulär mit Steuern etc. exportiert würden. Zusätzlich verdienen Rüstungsfirmen am Verkauf von Waffen an diesen Kriegen ... (im Falle z.B. von Angola Jahrzehnte lang von der US Regierung finanzierte Rüstung für die Unita, und Russland, das immer-noch-Zarenreich mit wechselnden Fahnen ist nicht besser, gleiches gilt für China u.a.) -

     

    Das sind die Flucht u r s a c h e n - von denen insgesamt "wir" in den relativ reichen Ländern alle profitieren, wenn auch einige mehr als andere. - und wie gesagt es sind nur einige wenige kurz angedeutete Beispiele.

     

    Ahnungslosigkeit führt übrigens oft zu Rassismus und umgekehrt blockiert Rassismus immer eine vorurteilslose Wahrnehmung und fördert dadurch die Ahnhungslosigkeit ... fällt mir nur gerade so ein.

  • U
    Ungefähr

    Solche Zustände bringen billige Tomaten nach Deutschland. Na, ist das alles vielleicht doch nicht so einfach? Wenn man durchgreifen will, müsste man schon wissen, wo anzupacken wäre... Das Leben ist schon komplex!

    Grüsse aus dem Süden (sobald es "bei uns" andalusische Zustände gibt, komme ich wieder)

  • L
    Lossen

    Bei manchen Leuten hat man den Eindruck, sie würden sich regelrecht wünschen, dass es hier mal knallt - damit sie endlich Recht behalten. Oder was soll das ewige Gerede von der drohenden Explosion bei jeder Gelegenheit (Ausschreitungen in Frankreich; Türkei gg. Deutschland etc.).

  • D
    Durchgreifen

    Super. Solche Zustände werden wir dank einer völlig verfehlten Multikulti-Politik auch bald bei uns haben.