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Marburger Solarsatzung vor dem AusLanger Weg zur Sonnenenergie

Rechtsstreit um Solarsatzung: Der Gießener CDU-Regierungspräsident stellt in Frage, ob die Marburger Stadtverordneten ihre Solarsatzung mit dem globalen Klimawandel begründen dürfen.

Laut Marburger Solarsatzung müssen Hausbesitzer bei Neubauten eine thermische Solaranlage installieren. Bild: dpa

Winfried Schmid hat ein Ultimatum gestellt. Bis Ende des Monats soll die Stadt Marburg ihre bundesweit einmalige Solarsatzung von der Stadtverordnetenversammlung wieder aufheben lassen, fordert der Gießener CDU-Regierungspräsident. Andernfalls werde er selbst den Beschluss beanstanden - was das gleiche Ergebnis zur Folge hätte.

SPD, Grüne und Linke im Kommunalparlament der Universitätsstadt hatten die Solarsatzung am 20. Juni verabschiedet. Sie schreibt Hausbesitzern bei Neubauten und Sanierungsarbeiten an Heizungs- oder Dachanlagen zwingend vor, eine thermische Solaranlage zu installieren.

Grüne und Sozialdemokraten kritisierten die Entscheidung des Regierungspräsidenten am Donnerstag und griffen vor allem die Hessische Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) scharf an. Die Ankündigung, Hessen zum Musterland für erneuerbare Energien zu machen, sei "wohl doch nicht so ganz ernst gemeint gewesen", lästerte etwa der Landespartei- und Landtagsfraktionschef der Grünen, Tarek Al-Wazir. Und auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer sagte, die geschäftsführende Landesregierung blockiere die erneuerbaren Energien.

Schmids Sprecherin Ina Velte wies die Anschuldigungen zurück. Man sei nicht weisungsgebunden. Schmid stehe "der Sache" grundsätzlich positiv gegenüber, habe aber nicht anders entscheiden können: Das Marburger Stadtparlament sei überhaupt nicht berechtigt gewesen, eine solche Satzung zu verabschieden - es fehle die "Ermächtigungsgrundlage".

Der Streit geht um die Bestimmung 81.2 in der Hessischen Bauordnung. Sie billigt den Kommunen beispielsweise das Recht zu, ihren Bürgern aus Gründen des lokalen Emissionsschutzes eine "rationale Verwendung von Energie" vorzuschreiben. Früher bedeutete das Gas- oder Elektroheizungen statt schmutziger Kohleverfeuerung. Die Stadt Marburg begründete ihre Solarsatzung allerdings mit dem Verweis auf den globalen Klimawandel. Diese Argumentation sei durch die Bestimmungen der Bauordnung nicht abgedeckt, so die Auffassung von Schmid.

Der Zusammenhang "global denken - lokal handeln" sei offenbar noch nicht bis nach Gießen vorgedrungen, sagt Thomas Spies, Landtagsabgeordneter der SPD aus Marburg. Er verweist auf eine Gesetzesinitiative, mit der die SPD die erneuerbaren Energien in Hessen fördern will. Diese impliziere auch eine Neufassung der Bauordnung, wo nur ein Halbsatz geändert werden müsse - und schon sei die Marburger Solarsatzung nicht mehr zu beanstanden. Mit etwas gutem Willen, so Spies zur taz, hätte Schmid die Bauordnung auch heute schon so auslegen können.

In den Landtag eingebracht werden könne der Gesetzentwurf frühestens im November. Ihre Zustimmung dazu hätten Grüne und Linke bereits signalisiert. Anfang 2009 könnte das Gesetz in Kraft treten.

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9 Kommentare

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  • BG
    Bürger G.

    @Kack Stift: Du langweilst mich mit deinen Beleidigungen: Fachidiotie hilft uns aber in der Frage der sicheren, umweltfreudlichen und bezahlbaren Energieversorgung weiter als POLEMIK!

  • BW
    Bark Wind

    Büger (wie gessagt spare ich mir einen Buchstaben, das ist lustiger :-)

     

    Falls Sie die Fachidiotie als Attribut auf sich selbst beziehen wollen - meinetwegen. Und wenn sie es als Beleidigung empfinden ist das Ihr Problem, nicht meines. Ich verwende dieses Wort deskriptiv und so oft und so lange, wie es mir passend scheint.

     

    Und es passt auch zu Ihrer Arroganz, dass Sie sich für den Schiedsrichter halten, der glaubt die Autorität zu haben, andere disqualifizieren zu können.

  • BG
    Bürger G.

    @Bark Wind: ...und da war sie wieder, die grundlose Beleidigung ohne Argumentation und Inhalt...

     

    ...die zweite Disqualifikation

  • BW
    Bark Wind

    Bürger G: Ich sehe das anders: Das größere Problem ist (obwohl es nicht das einzige ist), dass viele nicht merkeln , o pardon, merken, wollte ich schreiben, wenn extremes SpezialistInnentum zu FachidiotInnentum wird.

  • BG
    Bürger G.

    @penthesilea:"Das kann sich sogar jedes SCHULKIND mit etwas Intelligenz und Grundkenntnissen über den aktuellen Stand der Technik von Renewables ausrechnen!" UND GENAU DA LIEGT DAS PROBLEM: Die grünen Ideologen rechnen nur mit den GRUNDRECHENARTEN! Die reichen aber nicht aus und ist reine Propaganda, ein wenig höhere Mathematik ist leider von nöten, deshalb disqualifizieren Sie sich!

  • P
    penthesilea

    Ich finde auch, das Nullenergiehaus sollte längst der Maßstab sein, und ebenso wie offender Asbeststaub in Gebäuden verboten ist (weil leider freiwillige Apelle nicht reichen), sollten auch diesbezüglich Vorschriften die Bauherren zur 'raison' bringen. Ich finde auch, dass auch bereits bestehende Gebäude in diese Richtung saniert werden sollten. Das zu tun sollte auch vorgeschrieben sein.

     

    Weil das aber recht teuer ist, wäre auch - ergänzend - folgendes viel stärker zu überlegen: Vom Ural bis an die Oder und vom Baltikum bis Anatolien könnte mit Wind- Solarenergie (im Norden v.a. photovoltaisch, im Süden v.a. thermisch), dazu auch Biogas aus Forst- und Landwirtschaft, bis 2020 ein MEHRFACHES des gesamte europäischen Strombedarfs erzeugt werden. Das kann sich sogar jedes Schulkind mit etwas Intelligenz und Grundkenntnissen über den aktuellen Stand der Technik von Renewables ausrechnen!

     

    Für Westeuropa wäre es ein ziemlich BILLIGER Strom (auch wenn die Arbeitenden dort überdurchschnittliche Löhne bekämen!)

    und es würde in diesen Ländern die Arbeitslosigkeit reduzieren (a forteriori, wenn die Windradmodelle mit Gittertürmen favorisiert würden, weil mehr Arbeitszeit nötig ist sie (auf)zu bauen - sie herzustellen spart aber Material (Metall) und Energie!).

  • K
    Karl

    Eine nicht naturwissenschaftlich nachprüfbare Behauptung bleibt Willkür! Nichts gegen Fakten, nur kein wollte wäre möchte...

    Tatsächlich gibt es nicht nur in MR Menschen deren mentale Lebenswirklichkeit noch nicht einmal von der Aufklärung erreicht worden ist.

     

    Gruß Karl

  • JB
    Jana B

    Ganz so willkuerlich scheint die Begruendung mit dem Klimawandel dann wohl doch nicht zu sein: In Grobssbritannien wurden gerade sechs Greenpeace-Aktivisten freigesprochen, die ein Kohlekraftwerk betraten, sich vom Schornstein abseilten und eigentlich eine Nachricht fuer Premier Gordon Brown (unter anderem bekannt fuer eine geplante Neuauflage dieser Dreckschleudern) hinterlassen wollten. Weiter als bis "Gordon" an den Schornstein zu pinseln kamen sie jedoch nicht, bevor die Hubschrauber kamen. Die Anklage lautete aus Hausfriedensbruch und Sachbeschaedigung (es kostet £30.000, das wieder sauber zu kriegen) und eine Jury sprach sie alle frei! In der Begruendung hiess es, dass der Klimawandel und die drohende Gefahr, die davon ausgeht, hoeher einzuschaetzen sind als ein paar laeppische Pfund, um die Farbe wieder abzukratzen. Der Protest gegen das Kraftwerk und Gordon Browns Energie-Politik war also gerechtfertigt. (auf Legalese: "a lawful excuse") Zumal es erwiesen sei, dass Kohlekraftwerke Klimakiller seien, der Protest also auch an richtiger Stelle stattfand.

    Marburg steht also nicht alleine da. Die Idee, Klimaschutz in der Satzung festzulegen, ist genial und endlich ein Schritt in die richtige Richtung -- statt die Aufruettelung der Massen den paar Aktivisten zu ueberlassen, nimmt der Staat endlich(!) mal seine Verantwortung wahr. (Ich gehe mal davon aus, dass es auch genug Solartechniker gibt, um das umzusetzen, und entsprechende Foerdermittel fuer nicht ganz so finanzkraeftige Haeuslebauer.) Es kann doch wohl nicht sein, dass persoenliche oder parteiliche Befindlichkeiten (wie angedeutet) etwas verhindern, was letzten Endes allen zugute kommt.

  • K
    Karl

    In der Tat ist die allegemeine Begründung mit "dem Klimawandel" ein Akt blanker Willkür. "Klimachutz" ist eine Pseudobegründung die sich jeder naturwissenschaftlichen Überprüfung ihrer Wirksamkeit entzieht.

    Anstelle verquerer ideologische Rechtfertigung wäre es ehrlicher sich auf die (messbare!) Verbesserung der Luft zu beziehen.

     

    Gruß Karl