Ausstellung "Tatmotiv Ehre": Trockene Aufklärung im Rathaus
Eine Ausstellung im Neuköllner Rathaus will über Ehrenmorde und Zwangsheirat informieren. Doch die mutmaßliche Hauptzielgruppe der Schüler wird sie kaum erreichen.
Sie liegt ein wenig versteckt. Wer die Ausstellung "Tatmotiv Ehre" besuchen will, muss sich in den zweiten Stock des Neuköllner Rathauses vorarbeiten. Hier, in der Vorhalle der Bezirksverordnetenbüros, sind seit Freitag 17 Stellwände angebracht. Beidseitig bedruckt, mit vielen Farben und Bildern stehen sie da und sollen den Besucher - ja was eigentlich? Aufrütteln? Erschrecken? Informieren?
"Die Inhalte der Ausstellung sind eigentlich bekannt", sagt Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zur Eröffnung. Es geht um Ehrenmorde an Frauen, um Mitgiftmorde, um Zwangsheirat und Verstoßung von Mädchen und jungen Frauen. Buschkowsky ergänzt: "So bekannt die Inhalte sind, so unschön ist es, sie auszusprechen." Daher die Ausstellung.
Die Informationen auf den Stellwänden sind in drei Teile gegliedert: einen allgemeinen, einführenden, einen, der spezialisierter informiert, und einen, der die Informationen anschaulich machen soll - mithilfe von Porträts bekannter Frauen, die selbst vom Ehrenmord bedroht waren, oder deren Schwester, Cousine oder Tochter sterben musste und die nun gegen die Praxis des Verbrechens im Namen der Ehre kämpfen.
Immer wieder geht es daher auch um den Begriff Ehre. "Ehre ist etwas, das man in westlichen Gesellschaften gewinnen kann, zum Beispiel, indem man einen guten Roman schreibt oder einen Nobelpreis gewinnt. In muslimischen Gesellschaften ist es etwas, das man höchstens verlieren kann", erklärt die Frauenrechtlerin Necla Kelek, die die Ausstellungseröffnung begleitete. Ehre gelte immer als Frage der Macht des Mannes über die Frau. Verliere sie die Ehre, verliert auch er als ihr Besitzer seine Ehre, so die Denkweise.
Dass Ehrenmorde nicht nur in muslimischen Gesellschaften vorkommen, will die Ausstellung auch vermitteln. In Brasilien oder Spanien sind Ehrenmorde zwar nicht an der Tagesordnung, aber trotzdem existent. "Das Thema bewegt unsere Gesellschaft zunehmend, aber nicht im Bewusstsein", diagnostiziert Buschkowsky. Das soll die Ausstellung ändern.
Doch leider trägt die Präsentation ihr Problem schon im Konzept: Wer sich gezielt vor die Informationstafeln stellt, muss sich zumindest schon so weit mit dem Thema beschäftigt haben, dass er sich darin vertiefen will. Die eigentlich interessante Zielgruppe dagegen, die Schülerinnen und Schüler, wird mit einer derart altmodischen Darbietungsform kaum erreicht: Es fällt schwer, sich eine Schulklasse von 15-Jährigen ruhig lesend vor den Stellwänden vorzustellen.
Dabei hat der Veranstalter, die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, extra Unterrichtsmaterial zu der Ausstellung entwickelt. Und die Organisation spricht auch davon, dass die Ausstellung bislang "sehr erfolgreich" durch Deutschland getourt sei. Dabei wird eine weitere Zielgruppe, die wichtig wäre, gar nicht erreicht: nämlich die Menschen, die kein Deutsch sprechen. Denn die Tafeln informieren ausschließlich in deutscher Sprache.
Bleibt zu hoffen, dass - falls sich doch zum Beispiel ein türkischsprachiger Besucher in den zweiten Stock des Neuköllner Rathauses verirrt - gerade ein Bezirksverordneter in der Vorhalle steht und erläuternd eingreifen kann.
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