piwik no script img

Finanzexperte über deutsche Betriebe"Die Firmen sind nicht in der Krise"

Für Firmen werde es schwieriger, an Kredite zu kommen, sagt Finanzexperte Michael Bretz. Aber in einer Krise steckten die deutschen Betriebe nicht.

Dieser Betrieb kann auch von der Krise profitieren. Bild: dpa

taz: Herr Bretz, die Banken sind schwer angeschlagen. Bedroht dies auch die deutschen Firmen - indem sie keine Kredite mehr bekommen?

Creditreform e. V.

MICHAEL BRETZ ist Sprecher bei Creditreform. Die Wirtschaftsauskunftei führt regelmäßig Umfragen bei 4.000 Mittelständlern zur Geschäftslage durch. Die jüngste Studie ist in dieser Woche erschienen.

SEXY SPARKASSEN

Die deutschen Sparkassen profitieren von der Finanzkrise. "Wir verzeichnen ein Plus bei den Einlagen", sagte ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands. Der Anstieg betreffe fast alle von den Sparkassen angebotenen Anlageformen. Allein die Sparkasse Düsseldorf verzeichnete in der vergangenen Woche 80 Millionen Euro zusätzliche Einlagen, wie Unternehmenssprecher Gerd Meyer sagte. Bei den Einlagen handle es sich sowohl um größere Beträge von Geschäftskunden als auch um Geld privater Kleinanleger. Einen guten Teil machten offenbar Neukunden aus. "Unser Modell ist vielleicht nicht unbedingt sexy, wenn alles auf die Börse schaut", sagte Meyer. Angesichts des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses setzten aber immer mehr Kunden auf das Modell. AFP/AP

Michael Bretz: Es wird schwieriger für die Firmen, Kredite zu erhalten. Aber für Panik besteht kein Anlass. Eine "Kreditklemme" existiert nicht. Firmen mit guter Bonität und guten Sicherheiten bekommen auch weiterhin Geld von den Banken.

Zwischen den Zeilen wirkt dies aber so, als würde nicht mehr jedes Unternehmen einen Kredit erhalten.

Dieser Trend zeichnet sich schon länger ab. Im Frühjahr haben wir 4.000 Mittelständler befragt: Damals sagten bereits 32,5 Prozent, dass es schwieriger oder deutlich schwieriger war, einen Kredit zu bekommen. Allerdings gingen nur 2 Prozent tatsächlich leer aus bei den Banken.

Seit dem Frühjahr hat sich die Finanzkrise deutlich verschärft. Wie ist die Stimmung jetzt bei den Unternehmen?

Immer noch recht optimistisch. Im September haben wir wieder 4.000 Unternehmen zu ihren Erwartungen befragt: Noch immer schätzen 46,9 Prozent ihre aktuelle Geschäftslage als sehr gut oder gut ein. Und wirklich pessimistisch sind nur ganze 5,4 Prozent. Der Saldo liegt also bei plus 41 Prozent. Nur zum Vergleich: Mitten im Abschwung im Jahr 2002 betrug dieser Saldo minus 1,4 Prozent.

Das klingt sehr technisch.

Übersetzt: Die Firmen sind nicht in der Krise.

Aber inzwischen reduzieren Forschungsinstitute und Bundesregierung ihre Wachstumsprognosen. Sind diese Abschwungsängste übertrieben?

Natürlich haben auch die Firmen ihre Erwartungen nach unten korrigiert. Aber ein Absturz ist nicht zu erkennen. So rechnen immer noch 32,9 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen mit steigenden Umsätzen. Das sind nur 4 Prozentpunkte weniger als im Boomjahr 2007.

Kurzfristig sehen Sie also keine großen Auswirkungen der Finanzkrise - wie ist es langfristig?

Die Mittelständler könnten sogar von der Bankenkrise profitieren, indem sie als interessante Kunden entdeckt werden. Bisher war es für manche Bank nicht lukrativ, sich mit einem Kredit von 60.000 Euro zu befassen, nur weil ein Handwerker sein Geschäft ausweiten wollte. Da schien Investmentbanking lohnender. Doch seitdem dieser Geschäftszweig zusammengebrochen ist, wirken Handwerker plötzlich attraktiv: Schließlich stehen da Gebäude und Grundstücke dahinter, die man sich als Bankangestellter ansehen kann. Das sind keine komplizierten Papiere, von denen keiner weiß, woher die kommen.

Wie geht es eigentlich Betrieben, die von Private-Equity-Fonds übernommen wurden? Diese "Heuschrecken" haben Firmenkäufe ja häufig mit Krediten gestemmt, die sie dann dem Unternehmen aufgebürdet haben. Diese Betriebe müssten doch jetzt Probleme haben, ihre Schulden zu finanzieren?

Noch kenne ich keinen einzigen Fall, wo ein Betrieb aufgrund der Finanzkrise eingeknickt wäre, der von einem Private-Equity-Fonds übernommen wurde. Aber klar ist, dass es nicht mehr funktioniert, 35 Prozent Rendite zu erwarten. Trotzdem: Private Geldgeber, die sich langfristig engagieren wollen, werden gebraucht. Finanzierung nur durch die Hausbank um die Ecke - diese Zeiten sind vorbei.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • K
    Kalle

    Jetzt, wo die Party bald vorbei ist, will der Investmentbanker sich dem Gemeinwohl zuwenden.

    Warten Sie's ab, man kann auch mit Optimismus in den Abgrund rennen. Die Automobilindustrie drosselt bereits die Produktion. Machen Sie doch mal morgen eine Umfrage bei den Unternehmen.

  • L
    Lorenzen-Pranger

    Wie passen denn die Aussagen in diesem Interview zu der Tatsache, daß bei Opel z. B. in einigen Werken vorübergehend keine Autos mehr gebaut werden, weil sie am Markt nicht mehr absetzbar sind?