Planwerk Innenstadt: Pläne gegen das Planwerk

Vor fast zehn Jahren hat der Senat das Planwerk Innenstadt verabschiedet. Jetzt formiert sich eine neue Opposition - in der rot-roten Koalition

Knapp zehn Jahre nach der Verabschiedung des sogenannten "Planwerks Innenstadt" formiert sich eine neue Opposition gegen eine weitere Verdichtung der City-Ost. "Die städtebauliche Debatte in Berlin stockt. Es gibt keine kritische Auseinandersetzung mit dem Planwerk", moniert der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Exkultursenator Thomas Flierl. Am Sonntag lädt Flierl deshalb zu einem ersten Workshop, auf dem sich die Oppositionellen austauschen können. Der Titel des Treffens: "Planwerk revisited".

Planwerk Innenstadt - das verbinden im Ostteil der Stadt immer noch viele mit dem Versuch, sich der baulichen Hinterlassenschaften der DDR zu entledigen und sein Heil in einem "Vorwärts in die Vergangenheit" zu suchen. Das städtebauliche Leitbild war 1997 vom damaligen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und Berlins Senatsbaudirektor Hans Stimmann vorgestellt worden. Zum einen sollte es die City-Ost und die City-West miteinander verbinden. Zum anderen sah es eine starke städtebauliche Verdichtung der Innenstadt auf dem historischen Stadtgrundriss vor. Kritiker warfen dem Planwerk deshalb vor, sich an der "Stadt des 19. Jahrhunderts" zu orientieren.

Zwar fand die grundsätzliche Philosophie, die Innenstadt gegen weitere Zersiedelung am Stadtrand zu stärken, breite Zustimmung. Gegen den geplanten Abriss zahlreicher Bauten der Nachkriegsmoderne liefen dagegen Architekten, Planer und viele Bürger Sturm. Das Planwerk wurde am 18. Mai 1999 von der schwarz-roten Senatskoalition als städtebauliches Leitbild verabschiedet. Die Linkspartei von Thomas Flierl war damals als PDS noch in der Opposition.

Schaut man heute nach den Ergebnissen dieses Leitbildes, fällt die Bilanz gemischt aus. Anstelle des ehemaligen Ahornblatts zum Beispiel, einer expressiven Schalenbetonarchitektur auf der Fischerinsel, steht heute einer der zahlreichen quadratisch-praktischen und angeblich guten Blöcke im Geiste der "kritischen Rekonstruktion". Gleich daneben ragen die Hochhäuser der Fischerinsel noch immer in die Höhe. Gegen die Wohnungsbaugesellschaft Mitte, die sie hat sanieren lassen, wollte Exsenator Strieder nicht zu Felde ziehen.

Durchwachsen auch die Bilanz auf dem Friedrichswerder nahe dem Außenministerium. Die dortigen Grünflächen mussten den Townhouses, handtuchschmalen, meist fünfgeschossigen "Einfamilienhäusern" für Wohlbetuchte, weichen. Zur Begründung sagte Exbaudirektor Hans Stimmann, die "Urbaniten", die er sich als neue Bewohner der Innenstadt wünsche, bräuchten "kein Abstandsgrün", schließlich flögen sie zweimal im Jahr nach Mallorca.

Dennoch wäre es heute wohl still ums Planwerk geworden, gäbe es nicht ambitionierte Neubaupläne. Das größte dieser Projekte ist die Wiedergewinnung des ehemaligen Molkenmarktes als Stadtplatz hinter dem Roten Rathaus. Dafür soll die autobahnähnliche Grunerstraße direkt an das Rathaus verschwenkt werden. So wird die Fläche zwischen dem Rathaus und dem 1911 von Ludwig Hoffmann fertiggestellten Stadthaus, heute Dienstsitz des Innensenators, frei. Dort soll ein komplett neues Stadtquartier entstehen.

An diesen Plänen hat sich auch nichts geändert, seitdem Hans Stimmann im Frühjahr in den Ruhestand ging und sein Chefplaner Hilmar von Lojewski nach Damaskus. Der sah unter der neuen Senatsbaudirektorin Regula Lüscher wohl schlechtere Zeiten auf sich zukommen.

Offenbar hat sich von Lojewski geirrt. An den Planungen für den Molkenmarkt wurden bislang keine Abstriche gemacht. Im Gegenteil. Entgegen ersten Überlegungen soll nun sogar direkt vor dem Stadthaus ein neues Quartier entstehen. Der Hoffmann-Bau, einst Stolz der Stadt, würde in die zweite Reihe verschwinden.

Aber auch sonst wird munter am Planwerk festgehalten, moniert der Architektursoziologe Harald Bodenschatz von der TU Berlin. "Es fehlt an einer neuen, strategischen Ausrichtung der Stadtplanung", kritisiert er und fordert deshalb ein "Planwerk 2.0". Seine Stichworte: Stärkung der Innenstadtquartiere, weniger bauliche Verdichtung.

Wenn Bodenschatz von einem "planerischen Vakuum" spricht, ist das auch eine Kritik an Stimmanns Nachfolgerin Regula Lüscher. Hören wird sie diese Kritik auf dem Workshop am Sonntag aber nicht. Trotz ursprünglicher Zusage hat Lüscher ihre Teilnahme an der Veranstaltung zurückgezogen.

"Planwerk revisited": Sonntag von 10 bis 20 Uhr in der Architektenkammer Berlin, Karl-Marx-Allee 78

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.