Nach Verhaftung von Ruandischer Protokollchefin: Proteste vor Deutscher Botschaft

Ruanda protestiert gegen die Festnahme seiner Protokollchefin in Frankfurt. Afrikanische Union stellt gesamte internationale Gerichtsbarkeit infrage.

Deutschland schäm dich: Demonstranten vor der deutschen Botschaft in Kigali. Bild: reuters

BERLIN taz Die Verhaftung der ruandischen Protokollchefin Rose Kabuye in Frankfurt am Sonntag aufgrund eines französischen Haftbefehls zieht immer weitere Kreise. Seit drei Tagen wird in Ruanda gegen Deutschland demonstriert. Der deutsche Botschafter in Ruanda soll das Land bis Donnerstag verlassen.

Ruandas Regierung hat außerdem angekündigt, demnächst Haftbefehle gegen 23 französische Politiker und Militärs auszustellen - wegen Beteiligung am Völkermord in Ruanda 1994, bei dem über 800.000 Menschen getötet wurden. Grundlage ist der im August veröffentlichte Bericht einer ruandischen Untersuchungskommission.

In unabhängigen ruandischen Medien wird nun gefragt, ob Deutschland ruandische Haftbefehle gegen Franzosen ebenso bereitwillig vollstrecken würde wie französische Haftbefehle gegen Ruander. Dass dies nicht der Fall sein wird, weil Frankreich europäische Haftbefehle ausstellen kann, die für Deutschland bindend sind, Ruanda aber nicht, wird als weiterer Beweis dafür gesehen, dass das internationale Rechtssystem mit zweierlei Maß misst.

Diese Überzeugung ist in Afrika inzwischen offizieller Konsens, und das macht den Fall Kabuye so brisant. Die Afrikanische Union (AU) nahm im Juli in Kairo auf Vorschlag Ruandas eine Resolution an, die die Verfolgung afrikanischer Verbrechen durch europäische Justizsysteme ablehnte. Ruanda ist empört darüber, dass Untersuchungsrichter in Frankreich und Spanien ohne materielle Beweise oder eigene Ermittlungen vor Ort Haftbefehle gegen den Großteil der Staatsspitze Ruandas im Zusammenhang mit dem Völkermord erwirken konnten - obwohl es die heute in Ruanda regierende Ruandische Patriotische Front war, die 1994 das für den Völkermord verantwortliche Regime stürzte. Bei der Verfolgung von international wegen Völkermords Gesuchten hingegen tut sich zum Beispiel Frankreich schwerer.

Als Antwort auf den Fall Kabuye hat die AU-Kommission jetzt noch schärfer reagiert und am Dienstag erklärt, die Entwicklung gefährde internationales Recht. Sie rief alle UN-Mitgliedstaaten auf, ein Moratorium für die Vollstreckung von Haftbefehlen zu verhängen, "bis alle rechtlichen und politischen Fragen" zwischen AU, EU und UN "umfassend erörtert" seien. Angesichts der Vielzahl von Haftbefehlen gegen Persönlichkeiten aus Afrika sei ein internationaler Kontrollmechanismus nötig, um sicherzustellen, dass diese nicht politisch motiviert seien.

So stellt der Fall Kabuye aus afrikanischer Sicht die gesamte internationale Gerichtsbarkeit infrage. Europäische Länder beanspruchen eine strafrechtliche Zuständigkeit für Verbrechen in unabhängigen ehemaligen Kolonien, während ihre eigenen ehemaligen Kolonialverbrechen systematisch straffrei bleiben. Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wird ausschließlich gegen Afrikaner ermittelt, obwohl es in den letzten Jahren auch anderswo Kriegsverbrechen gegeben hat. Das ist der Grund, warum afrikanische Regierungen auch den in Den Haag anhängigen Haftantrag gegen Sudans Präsident Omar al-Bashir wegen Völkermords in Darfur ablehnen.

Besonders unbekümmert reagiert Senegal. Vor zwei Monaten stellte die französische Justiz Haftbefehle gegen neun hohe senegalesische Offizielle aus, wegen Nachlässigkeit beim Untergang einer Fähre vor Senegals Küste im Jahr 2002 mit über 1.800 Toten. Senegal reagierte prompt: mit Haftbefehlen gegen die französischen Richter. Einer der französischen Haftbefehle betrifft General Babacar Gaye, Militärchef der UN-Mission im Kongo (Monuc). Er kommandiert weiterhin 17.000 UN-Blauhelme im Kongo - trotz Haftbefehls aus Frankreich. DOMINIC JOHNSON

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