Tennisprofi Nicolas Kiefer über den Nachwuchs: "Die Jugend ist zu verwöhnt"

Nicolas Kiefer hat sich als Ersatzmann für die Tennis-WM zur Verfügung gestellt - etliche Profis waren sich zu fein dafür. Schon das Dabeisein sei für ihn eine Bestätgung des Erfolgs, sagt der Profispieler.

Nicolas Kiefer ist derzeit die Nr. 35 auf der Rankingliste. Bild: dpa

taz: Herr Kiefer, Sie sind beim Masters Cup nicht zum Einsatz gekommen. Hat sich die lange Reise dennoch gelohnt?

Nicolas Kiefer: Na klar. Für mich ist das Dabeisein eine Bestätigung für meinen Erfolg, nachdem ich zweimal an der Hand operiert worden bin. Ich empfinde es als ein Dankeschön an mich.

Sie hätten Urlaub machen können.

Ich war im Urlaub, als der Anruf kam. Ich habe in Hannover jeden Tag Golf gespielt. Und das werde ich auch nächste Woche wieder tun. Aber es war für mich sonnenklar, dass ich die Einladung annehme.

Es mussten zunächst aber 24 andere Profis verzichten, ehe man sie angerufen hat, weil sie die Nummer 35 des Rankings sind.

Das kann ich mir wirklich nicht erklären. Dafür bin ich doch Profi, dass ich bei solchen Höhepunkten der Saison dabeisein kann. Wenn Jogi Löw anruft und sagt, du bist bei der Weltmeisterschaft dabei, dann verzichtet doch auch ein Fußballer auf seinen Urlaub. Ich würde auch im nächsten Jahr als Ersatzspieler wiederkommen.

Warum nicht als einer der gesetzten Spieler, als einer der besten acht der nächsten Saison?

Warum nicht? Ich fühle mich jung. Das Feuer in mir brennt immer noch. Abgesehen von Roger Federer und Rafael Nadal, die eine Klasse über allen anderen stehen, ist mein Abstand zu den übrigen Spielern hier nicht besonders groß. Aber ich muss gesund bleiben.

Was macht man als Ersatzspieler während einer Turnierwoche?

Ich habe viel mehr hinter die Kulissen blicken können und Gespräche geführt, die sonst mein Manager führt. Hier treffen sich ja etliche Turnierdirektoren. Mit zehn oder fünfzehn habe ich einfach ein bisschen geplaudert. Ein paar haben gefragt, ob ich nächstes Jahr bei ihnen spielen möchte.

Gefällt Ihnen die Welt der Funktionäre?

Ich trage jetzt zwar Jeans und einen Dreitagebart, aber ich habe auch Anzug und Krawatte im Kleiderschrank und komme damit durchaus zurecht.

Es waren vier Neulinge beim Masters Cup in Schanghai dabei. Wieso kein deutscher Profi?

Ich glaube, wir haben ein Problem mit dem Nachwuchs. Die Jugend ist zu verwöhnt. Jeder kleine Erfolg wird von den Spielern selbst hochgejubelt. Und dann vergessen viele dabei, dass Disziplin und harte Arbeit die Voraussetzung für den langfristigen Erfolg sind.

Das wissen Sie aus eigener Erfahrung?

Natürlich. Mir wurde nichts geschenkt. Ich bin früher als Jugendlicher mit dem Wohnwagen von Turnier zu Turnier getingelt. Das war eine harte Mühle. Die heutigen Jugendlichen gewinnen ein paar Matches und schreien sofort nach tollen Hotels.

Schafft es ein Deutscher eher zum Masters Cup als Ihr Lieblingsklub Hannover 96 in den Fußball-Uefa-Pokal?

Die Wahrscheinlichkeit für 96 ist größer, weil bei einem Tennisprofi vieles zusammenkommen muss. Es gibt Hunderte, die zum Masters Cup wollen, und ein Tennisspieler kann sich keine ernsthaften Verletzungen leisten. Beim Fußball stehen Ersatzspieler bereit. Ich hoffe aber, dass schnellstmöglich einem Deutschen die Qualifikation gelingt.

INTERVIEW: MARCEL GRZANNA

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