Stasi-Vorwürfe in der eigenen Partei: Linke sollen Linke bespitzelt haben

Stasi-Methoden in Kassel: Eine ehemalige Kreistagsabgeordnete der Linken beschuldigt ihre früheren Genossen: Diese hätten sie überwacht und ruinieren wollen.

Linkspartei in Aufruhr: Observationen und Denunziationen in Kassel. Bild: dpa

Der Vorwurf gegen die Linkspartei hat es in sich: "Das sind Stasi-Machenschaften, wie ich es mir nie hätte träumen lassen", sagt Christa Pfeil. Dass Linkspartei und Stasi in einem Atemzug genannt werden, war bisher vor allem in konservativen Kreisen zu beobachten. Bei Christa Pfeil liegt der Fall anders. Sie ist selbst Mitglied der Linkspartei. Besser gesagt: Sie war es. Vor einigen Tagen trat die 57-jährige aus der Kasseler Kreistagsfraktion aus und kehrte den Linken den Rücken.

Mit einer anonymen Anzeige habe jemand versucht, "mich in den Ruin zu treiben", so Pfeil im Gespräch mit der taz. Zusätzlich seien Parteimitglieder observiert und ein "Bewegungsprotokoll" sei erstellt worden, so die Abgeordnete weiter. Bei dem Dokument, das der taz vorliegt, handelt es sich um Notizen eines Gespräches, die per E-Mail an den Kreisvorstand geleitet wurden. Als Grund für die angebliche Überwachung sieht Pfeil einen Machtkampf: Gemeinsam mit anderen habe sie den darniederliegenden Ortsverband neu beleben wollen und sei dabei "massiv ausgebremst worden".

"Hannes hat gestern in Helsas Gaststätte zu später Stunde/nach einem Bier Folgendes erzählt", so beginnen die Aufzeichnungen einer Mitarbeiterin der Kasseler Linkspartei zum Treffen mit dem angeblich Ausspionierten. Den Notizen nach wollte der Aktivist unter anderem Parteigenossen für die Mitarbeit an einem Hartz-IV-Arbeitskreis gewinnen.

Gegen den Vorwurf, andere Menschen auszuspionieren, verwahrt sich der Kreisverbandsvorsitzender Peter Dunger entschieden. Das Protokoll sei vielmehr die inhaltliche Beschreibung eines Stammtischtreffens. "Um die Zusammenarbeit zu fördern und die Ortsverbände vor Ort zu unterstützen, nehmen gelegentlich einzelne Kreisvorstandsmitglieder an den Sitzungen teil."

Pfeils Vorwürfe sind indes Wasser auf die Mühlen der CDU. Schließlich stehen in Hessen bald Neuwahlen an, alle Anzeichen deuten dabei auf einen klassischen Lagerwahlkampf hin. Eine gute Gelegenheit für die Konservativen, vor den Linken zu warnen. So teilt Hessens CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg mit: "Solche Vorgänge bestätigen den Verdacht, dass es sich bei der Linkspartei um die alte SED mit neuem Namen handele." Eine Demokratie, sagte der Konservative weiter, dürfe so etwas nicht hinnehmen.

Dass Pfeil nun ausgerechnet von der CDU Unterstützung erfährt, überrascht die Abgeordnete nicht. "Mir war klar, dass die sich darauf stürzen würden, aber es nützt ja nichts", sagt Pfeil.

Mit dem Streit in der Kasseler Provinz hat sich mittlerweile auch der Landesvorstand der hessischen Linken beschäftigt.

Ferdinand Hareter, Vorsitzender eines anderen Kreisverbandes, forderte die Parteigenossen aus dem Kasseler Kreisvorstand zum Rücktritt auf. Auch die linke Landtagsabgeordnete Marjana Schott solle ihr Mandat niederlegen. Das verlangt auch Christa Pfeil, die in Schott eine der Initiatoren der Vorgänge sieht.

Ob am Ende tatsächlich das Personalkarussell in Bewegung gerät, erscheint unklar. Klar ist hingegen, dass die Linkspartei im Kreistag Kassel-Land zukünftig ein Problem hat: Mit dem Austritt von Christa Pfeil stellen die Linken nur noch einen Abgeordneten im Kreisparlament - der Fraktionsstatus ist damit futsch.

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