piwik no script img

EU-Plan gegen RezessionHaste mal n Prozent für die Wirtschaft?

Die EU plant ein konzertiertes Vorgehen gegen die Rezession. Die Mitgliedstaaten sollen dafür je ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts lockermachen.

Soll niedergerungen werden: Rezession. Bild: dpa

130 Milliarden Euro sollen es werden. So viel Geld will die Europäische Kommission offenbar lockermachen, um sich gegen die Rezession zu stemmen. Das erklärte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Mittwochabend. Die Kommission wollte die Zahl nicht bestätigten. Der deutsche Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte gestern lediglich, es fänden derzeit noch Abstimmungsgespräche über die EU-Vorschläge statt. Endgültig entschieden werde beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 11. und 12. Dezember in Brüssel. Die Bundesregierung befürworte ein europaweites Vorgehen jedenfalls grundsätzlich.

Die EU-Mitgliedsstaaten sollen je ein Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes zum Ankurbeln der Konjunktur aufwenden, sagte Glos. Für Deutschland wären das 25 Milliarden Euro. Kein Wunder, dass sich die Bundesregierung mit dem Vorschlag anfreunden kann: Ihr bereits angekündigtes Maßnahmenpaket sieht bereits Ausgaben von 32 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren vor, allerdings inklusive schon vorher beschlossener Maßnahmen. Diese Summe müsse auf das EU-Konjunkturpaket angerechnet werden, fordert die Regierung. Man verstehe den EU-Vorstoß als "Koordinierung und Zusammenfassung nationaler Programme", hieß es gestern im Bundesfinanzministerium. Gegebenenfalls ergänzt um einzelne europäische Elemente. Dann hätte Deutschland schon genug getan.

Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte aus einem Regierungspapier, wonach die EU-Kommission auch Hilfen für die Autoindustrie vorsehe. Die Europäische Investitionsbank könne grüne Technologien für Kraftfahrzeuge mit 2 Milliarden Euro unterstützen. Weitere Vorschläge sind die Förderung von Internet- und Breitbandtechnologien sowie das Vorziehen von Projekten im Bereich Infrastruktur und Energieeffizienz.

"Solche Vorschläge gehen in die richtige Richtung, sind aber ungenügend. Der Schwerpunkt müsste viel stärker auf Investitionen in die Mangelbereiche Umwelt, Bildung und Gesundheit liegen", urteilt Axel Troost, Bundestagsabgeordneter der Linken und Geschäftsführer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Die auch als Memorandum-Gruppe bekannten Wirtschaftswissenschaftler, die sich als Gegenpol zum Sachverständigenrat der Bundesregierung verstehen, haben gestern in Berlin ein Sondermemorandum vorgelegt. Darin fordern sie ein viel größeres europaweit abgestimmtes Konjunkturprogramm.

Das Konzept der Bundesregierung bezeichnen die Autoren als "völlig unzureichend". Die tatsächlich zusätzlichen Ausgaben beliefen sich im kommenden Jahr nur auf 3,87 Milliarden Euro - gerade einmal 0,15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Stattdessen fordern die alternativen Wissenschaftler ein staatliches Investitionsprogramm in Höhe von jährlich 75 Milliarden Euro, mit denen die öffentliche Infrastruktur und der öffentlichen Verkehr ausgebaut, in Energieeinsparprogramme, Bildung, Forschung und Kultur investiert und darüber hinaus kleine und mittlere Unternehmen gefördert werden sollen.

Ergänzt werden müsse dies durch Arbeitszeitverkürzung, öffentlich geförderte Beschäftigungsprogramme und einen höheren Sozialhilfesatz. Damit soll die Arbeitslosigkeit bekämpft und die seit Jahren lahmende Binnennachfrage gestärkt werden, die "der Klotz am Bein der wirtschaftlichen Entwicklung" sei, so die Ökonomen.

Staaten wie die USA, Japan und China haben bereits umfangreiche Konjunkturpakete gepackt. In einer Umfrage des ifo-Instituts sagen Wirtschaftsexperten aus mehr als 90 Ländern dennoch eine weltweite Rezession voraus. Das ifo-Weltwirtschaftsklima ist auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gefallen. Auch die Bundesbank zeigt sich in ihrem aktuellen Monatsbericht pessimistisch: Die stark von Exporten abhängige deutsche Wirtschaft werde die Nachfrageschwäche in wichtigen Absatzregionen "nicht ohne einen empfindlichen Rückschlag wegstecken können, zumal nennenswerte binnenwirtschaftliche Impulse kurzfristig nicht zu erwarten sind".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • G
    Gabi

    Ja, haste mal....!

    Ich weiß, dass man damit Arbeitsplätze retten könnte...; ich denke aber auch gleichzeitig über einen neuen Staatsbegriff nach.

    Wie wäre es mit: "Sozialistischer Kapitalismus" oder wäre "Kapitalistischer Sozialmus" besser?

    Wie kann man es in einen Begriff kleiden, der Kombilöhne, Lohndumping, private Gewinne und sozialisierte Verluste und Schwierigkeiten vereint, damit alles so bleibt wie es ist?

    Ein bißchen Regelung hier, etwas Regelung dort..., ansonsten lassen wir es bei dem Kapitalismus, der mittlerweile vom Sozialismus lebt.

    Ach Gott...!