Spekulationen um Kongos Rebellen und Ruanda: "Wir brauchen einander"

Viele internationale Beobachter vermuten, dass die Rebellion von Nkunda im Ost-Kongo von Ruandas Regierung gesteuert wird. Direkten Einfluss will man dort nicht erkennen.

In weißer Robe statt Flecktarn: Kongos Rebellenchef Nkunda.

"Warum hassen die Kongolesen uns Tutsi so?", fragt Shyaka Kanuma, Chefredakteur der ruandischen Wochenzeitung Focus. "Ich habe nie einem Kongolesen etwas angetan, aber ich kann dort umgebracht werden, weil ich ein Tutsi bin. Und jetzt bekommen wir die Schuld für das Elend dort." Wie viele Ruander ist Kanuma erstaunt, dass nicht nur Kongo, sondern auch ein großer Teil der internationalen Gemeinschaft seinem Land Ruanda die Schuld für den neuen Krieg im Osten der Demokratischen Republik Kongo gibt. Dort hat die Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) unter General Laurent Nkunda in einer Reihe von Offensiven große Teile der Provinz Nord-Kivu erobert. Ende Oktober floh Kongos Regierungsarmee aus Angst vor den Rebellen sogar aus der Provinzhauptstadt Goma und ermordete und vergewaltigte dabei viele Bewohner.

Viele internationale Beobachter meinen, dass Nkunda mit seinen 4.000 bis 6.000 Kämpfern nie ohne Unterstützung aus Ruanda solche Erfolge hätte erzielen können, obwohl er viele Waffen von Kongos fliehender Armee erbeutet hat. Aber es gibt dafür keine harten Beweise. Das kongolesische Fernsehen konnte nur ein paar ruandische Geldscheine zeigen und alte Uniformen der ruandischen Armee, die offenbar in Darfur benutzt worden sind. Ruanda stellt einen Teil der UN-Truppe in der westsudanesischen Region. Auch wurden hier und da Soldaten angetroffen, die nur Englisch sprechen, was im Kongo nicht üblich ist.

Ruandas Präsident Paul Kagame hat zugegeben, dass sich möglicherweise ein paar desertierte ruandische Soldaten Nkunda angeschlossen haben. Aber Hinweise auf Einmärsche im Kongo, wie sie Ruanda bei den früheren Kongokriegen 1996 und 1998 unternahm, gibt es nicht.

Einfluss hat Ruanda auch so. Die Grenze zwischen beiden Ländern verläuft quer durch die Wohngebiete von verschiedenen Völkern. "Wir essen Bohnen aus dem Kongo und die Kongolesen essen unsere Tomaten. Wir beeinflussen einander, aber wir haben unterschiedliche Pläne", meint ein ruandischer Geschäftsmann, der im Kongo aktiv ist. "Ich bin ein Tutsi und glaube fest daran, dass wir irgendwie an den Kämpfen in Kongo beteiligt sind. Aber wenn wir gute Handelsbeziehungen haben, nützt das uns und auch Ostkongo. Wir brauchen einander, und dafür muss im Kongo jemand an der Macht sein, der uns friedlich und freundlich gesonnen ist. Das ist Nkunda."

Viele Kongolesen machen keinen Unterschied zwischen kongolesischen und ruandischen Tutsi. Ruandas Regierung wiederum verheimlicht nicht, dass sie mit Nkunda sympathisiert. Der Rebellenführer sagt, dass er Kongos Tutsi gegen die FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) schützen will, eine Armee von etwa 6.000 Mitgliedern von aus Ruanda geflohenen Hutu-Teilnehmern des Völkermords an Ruandas Tutsi 1994 und ihren Familien. "Der Völkermord wirft noch immer einen Schatten - nicht nur über Ruanda, auch über Kongo. So lange die FDLR in Kongo aktiv ist, wird die Angst nicht verringert und Wunden können nicht heilen", sagt Raakiya Omar von der in Kigali ansässigen Menschenrechtsorganistion African Rights. Aber viele Kongolesen sind noch immer wütend über die beiden ruandischen Invasionen in den 90er-Jahren. Nicht nur marschierte Ruandas Armee 1996 und 1998 im Kongo ein, um dort geflohene Täter des Völkermordes zu jagen - sie tötete auch Zehntausende Unschuldige, unterstützte Rebellen, um die Regierung zu stürzen, und bediente sich an Kongos Bodenschätzen. So wird jetzt weithin behauptet, dass auch Nkunda mit seinen Offensiven Mineralien in die Hand bekommen will. Aber bist jetzt liegt keine Mine innerhalb des Machtgebietes der CNDP - die Bodenschätze befinden sich in Gebieten, wo die Armee zusammen mit der FDLR die Macht hat und Rohstoffe ausbeutet.

Unabhängig von all dem schließen in Ruandas Hauptstadt Kigali weder Freunde noch Feinde von Präsident Paul Kagame aus, dass er mit Ostkongo große Pläne hat. Schließlich ist Ruanda eines der dichtbesiedeltsten Länder der Welt. "Wir passen nicht mehr alle rein", meint der Tutsi-Geschäftsmann. "Wir brauchen Alternativen, und im Kongo gibt es noch Platz."

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