Deutsche Skispringer: Ordentlich Druck ablassen

Die deutschen Skispringer starten hoffnungsvoll in die neue Saison. Vor allem zwei Dinge will der neue Cheftrainer Werner Schuster wieder vermitteln: Teamgeist und Spaß am Fliegen.

Spaß am Fliegen ist wichtig. Bild: dpa

Österreichische Skispringer kennen das Wörtchen Druck nur in Verbindung mit einem anderen Substantiv, etwa als Reifendruck beim Auto oder als Druckknopf beim Anorak. Werner Schuster, lange Jahre Nachwuchstrainer beim Österreichischen Skiverband (ÖSV), hat sich umgewöhnen müssen, als er Cheftrainer von Deutschlands Skispringern wurde. Seit Sven Hannawald ein Star wurde, wird in der deutschen Skisprungszene nämlich unglaublich viel über Druck gesprochen. Man sah sich als Deutschlands führende Wintersportsparte und war der Meinung, die Weltöffentlichkeit würde so gebannt auf die Schanzen blicken, als würde dort eine US-Präsidentenwahl entschieden.

Man fürchtete Druck von überall - vom erfolgsverwöhnten Publikum, von den bösen Medien. Und man duckte sich schließlich unter der schweren Last, sodass keine ansprechenden Flüge mehr möglich waren. Schuster war überrascht, wie oft er vor der neuen Saison gefragt wurde, ob er nervös sei angesichts der Aufgabe, die müden deutschen Springer zu Spitzenleistungen zu führen. "Wissen Sie", antwortete er dann, "nervös sind doch alle vor dem Saisonstart: die Finnen, die Österreicher, die Norweger …" Und vom oft beschworenen Druck müsse man sich sowieso "lösen, wenn man Erfolg haben will. Sonst wird man verrückt."

Die ersten beiden Weltcupwochenenden sind absolviert. Man weiß nun: Schuster ist kein Heilsbringer. Er hat weder in einem Mittelgebirgswinkel ein Supertalent aufgestöbert noch ein Wundermittel gefunden, um den einstigen Vierfachweltmeister Martin Schmitt wieder zum Seriensieger zu machen. Aber er hat die richtigen Weichen gestellt. Nach einem enttäuschenden Einzelwettkampf zum Weltcupauftakt in Kuusamo wurde das Team im Mannschaftsspringen überraschend Dritter. Und am vergangenen Wochenende in Trondheim lief es auch ordentlich: Schmitt hatte am Samstag Platz 14 belegt, Michael Uhrmann wurde Elfter. Gestern dann kamen die beiden auf 13 und 15 ein. In beiden Wettbewerben verhinderten nach guten Auftaktsprüngen aber schwache Versuche jeweils im zweiten Durchgang bessere Platzierungen. Trotzdem resümierte Schmitt: "Unser Selbstbewusstsein wird immer größer. Wir müssen aber Geduld haben."

Das predigen auch Schuster und Horst Hüttel, der neue sportliche Leiter der Skispringer. "Wir brauchen einen langen Atem", sagt Hüttel. Es gibt eine Menge aufzuarbeiten, nicht nur in der Mannschaft um Schmitt und Uhrmann. Jahrelang herrschte Missgunst im Skisprunglager, das sich auf verschiedene Stützpunkte und Landesverbände verteilte. Die Stützpunkttrainer bekamen immer mehr Kompetenzen, Exbundestrainer Peter Rohwein schien hilflos zwischen den Fronten zu stehen. "Es ist im Skisprungteam sicher nicht alles nach Wunsch verlaufen", formuliert Schuster vorsichtig. Er sei nicht angetreten wie einst Jürgen Klinsmann, der beim DFB erst einmal alles auf den Kopf stellte. Aber der 39-Jährige hat sich mit Leuten seines Vertrauens umgeben - "und dann konnten wir ziemlich schnell auf der inhaltlichen Ebene einsteigen".

Schuster hat grundlegende Technikschulungen veranstaltet. Er hat seine Springer aufs Mountainbike gebeten, um bei einer Tour die Gruppendynamik zu stärken. Er hat aber auch ganz klar die Chefrolle für sich reklamiert - und berief sich dabei auf seine Kompetenz, die er sich als Nachwuchscoach in Österreich angeeignet hatte. Schuster hatte damals unter anderem einen jungen Springer namens Gregor Schlierenzauer betreut. Der hat den Samstagswettkampf von Trondheim gewonnen. Ganz ohne Druck. Sondern mit viel Spaß an der Sache, wie es die Österreicher immer sagen, wenn sie über ihren Schanzensport sprechen. So, wie auch Werner Schuster über seinen Job beim Deutschen Skiverband sagt: "Mir macht die Arbeit viel Spaß." Vielleicht kann ja das Wörtchen Spaß bald zur Lieblingsvokabel der deutschen Springer werden.

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