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Jubiläum einer Studenten-OrganisationSchiffbauer lassen den Hut auf

Seit 130 Jahren organisieren sich Studenten an der Technischen Universität in der "Schiffbauerlatte". Sie distanziert sich von studentischen Burschenschaften - auch wenn ihre Rituale ähnlich sind.

Johannes Beutel trägt ein Gewand aus schwerem, dunkelrotem Samt. Mit der schwarzen kappenartigen Mütze auf dem Kopf und der dicken messingfarbenen Kette um den Hals sieht er aus, als käme er direkt aus dem Vatikan. Doch mit der Kirche hat Beutels seltsamer Aufzug nichts zu tun. "Das ist eine traditionelle Ordensmeisterrobe", erklärt er.

Der junge Mann mit dem Pferdeschwanz ist Vorsitzender des "Heyligen Ordens der Schiffbauerlatte zu Berlin", einer studentischen Vereinigung an der Technischen Universität (TU). Rund 100 ehemalige und aktive Studierende feierten am Sonntagnachmittag bei einer sechsstündige Rundfahrt auf der Spree deren 130-jähriges Jubiläum. Wesentliche Programmpunkte waren Reden über die Geschichte des Ordens und die ritualhafte Wiederholung eines markigen Trinkspruchs.

Der Begriff "Latte" leitet sich dabei von der "Straklatte" ab. "Das sind Zeichenlineale, die man für den Schiffsentwurf benötigt", erläutert Beutel. Als Ordensmeister hat der Student die Jubiläumsfeier organisiert. "Wir sind eine Art Fachschaft, vertreten die Interessen der Schiffbaustudierenden, organisieren Info-Veranstaltungen und helfen den Absolventen bei der Arbeitssuche", beschreibt er die Aufgaben des Ordens.

Kritik, seine Robe, die Trinksprüche und die Ansagen in mittelalterlich anmutender, geschwollener Sprache würden eher an eine Burschenschaftsfeier als an eine Fachschaftsparty erinnern, weist der Ordensmeister zurück. "Unsere ,Latte' ist keine Burschenschaft", betont er. Klar, man lege viel Wert auf Tradition und Bräuche. "Aber der Unterschied ist, dass wir keine festgefahrenen Regeln haben - auch nicht in Bezug auf die Aufnahme von Frauen." Und so ziehe die "Latte" das Modell der Burschenschaft gern mal ins Lächerliche: "Wir sind eine lockere Gemeinschaft und nehmen uns selbst nicht so ganz ernst", meint Beutel. Und das sei schon vor 130 Jahren so gewesen.

Damals, erzählt er, war es üblich, dass Studierende in Verbindungen eintreten. Da sich aber die Schiffbaustudenten keinem Zwang unterwerfen wollten, gründeten sie 1878 ihre eigene Gemeinschaft - allerdings ohne Satzung. In der Nazizeit sei dieser rechtsfreie Raum für die "Latte" überlebensnotwendig gewesen. "Der Orden war nicht kategorisierbar und konnte damit auch nicht von der NSDAP missbraucht werden", so Beutel.

Bis 1971 sei die "Latte" aktiv gewesen. "Doch im Zuge der 68er-Bewegung wurde unsere Vereinigung kritisch hinterfragt", erzählt Beutel. "Und es traten immer weniger Studenten bei uns ein." Erst seit ein paar Jahren sei der Orden wieder aktiv und organisiere regelmäßig Feste und Veranstaltungen. Die Vereinigung zähle 40 aktive Mitglieder. An der TU studieren laut Beutel derzeit 180 Studenten Schiffbau.

Klaus Wietasch gehört bei der Jubiläumsfeier zu den älteren Gästen. In den Fünfzigerjahren hat er in Berlin studiert. Schwärmend erzählt er von den großen Arbeitssälen, in denen die Studenten Schiffszeichnungen anfertigen mussten und lernten, wie man Turbinen, Pumpen und Dampfkessel baut. "Dafür brauchten wir spezielles Zeichenmaterial, welches sich ein einzelner Student gar nicht leisten konnte", so Wietasch. Die "Latte" habe den Studenten die benötigten Utensilien zur Verfügung gestellt. "Unsere Gemeinschaft war so groß, dass wir Schiffbauer sogar das Mittagessen in einem großen Kübel von der Mensa in unseren Arbeitssaal transportiert und dort zusammen gegessen haben." Die Mitgliedschaft in der "Latte" sei damals selbstverständlich gewesen. Nur wenige hätten sich dem Orden verweigert. "Und das waren dann die Außenseiter."

Schöne Erinnerungen

Auch Ulf Buhlmann gehört zur älteren Generation der "Latte". Er kramt ein paar alte Schwarz-Weiß-Fotografien hervor. Sie zeigen ihn und seine Kommilitonen bei einer Kahnfahrt auf dem Wannsee. "Der Orden war immer sehr präsent in unserem Leben", so Buhlmann. Und der Kontakt zu seinen Mitstudenten sei bis heute nicht abgebrochen.

Für Johannes Beutel gehört die "Latte" zum Studium mit dazu. "Ich finde Tradition sehr wichtig und möchte, dass unsere Bräuche erhalten bleiben", bekundet er. "Und ich habe einfach ein Faible für Gesellschaft und Gemeinschaft." Bestimmt ergreift er sein Bierglas und stimmt einen Trinkspruch an, der an diesem Nachmittag noch häufig erklingen soll: "Wir trinken auf das Wohl der heiligen Frau Latte, Prosit!" Gläser klirren, alle trinken.

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