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Herero fordern Schädel zurückBerliner Charité untersucht noch

Am 11. Dezember 1904 war erstmals von "Konzentrationslagern" in Deutsch-Südwestafrika die Rede. Leichenpräparate der dort gestorbenen Herero und Nama sind noch in Deutschland.

Hereros erinnern an die Verbrechen der deutschen Truppen 1904 bis 1908 in Deutsch-Südwestafrika. Bild: dpa

"Innerhalb der Deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr … erschossen." Mit dem "Vernichtungsbefehl" des Generals Lothar von Trotha vom 2. Oktober 1904 begann der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. In den Jahren von 1904 bis 1908 fielen zehntausende Herero und Nama Krieg, Vertreibung und den Bedingungen in den deutschen Internierungslagern zum Opfer.

Die wachsende Zahl deutscher Siedler, erzwungene Landräumungen und Enteignungen sowie die Rassenpolitik der deutschen Kolonialregierung führten im Januar 1904 zum Aufstand der Herero unter Führung ihres Häuptlings Samuel Maharero. Die Nama schlossen sich den Aufständischen im Oktober 1904 an. Nach anfänglichen Erfolgen wurde die Streitmacht der Herero am 11. August 1904 in der Schlacht am Waterberg durch die deutschen Schutztruppen geschlagen, die Überlebenden in die an den Waterberg angrenzende Omaheke-Wüste getrieben. Tausende Hereros wurden erschossen oder fanden den Tod durch Verdursten und Entkräftung beim Versuch, das jenseits der Wüste liegende britische Gebiet zu erreichen. General von Trotha hatte seinen Truppen befohlen, sämtliche Fluchtwege abzuschneiden und die Wasserstellen zu besetzen. Auf die unmenschlichen Befehle von Trothas reagierte die Öffentlichkeit in Deutschland, in erster Linie die Sozialdemokraten sowie Vertreter christlicher Verbände, mit Entsetzen. August Bebel prangerte den General an: "Einen derartigen Krieg wie Herr von Trotha kann jeder Metzgerknecht führen." Der General hatte sich bereits 1896 als verantwortlicher Kommandeur bei der Niederschlagung der Wahehe-Rebellion in Deutsch-Ostafrika und als Brigadekommandeur während des Boxeraufstandes einen Ruf als erbarmungsloser, ja grausamer Militär erworben. Einer seiner Offiziere war Paul von Lettow-Vorbeck, der später als "Held" von Deutsch-Ostafrika Berühmtheit erlangen sollte. Lettow-Vorbeck, zuerst Adjutant im Generalsstab, war später als Kompaniechef bei der Niederschlagung des Herero-Aufstandes eingesetzt. Vier Bundeswehrkasernen trugen und tragen den Namen des späteren Generals von Lettow-Vorbeck, der wegen seiner Teilnahme am Kapp-Putsch vor ein Kriegsgericht gestellt und aus dem aktiven Militärdienst entlassen wurde.

Nach der fast vollständigen Vernichtung der Herero-Streitmacht setzten die Nama ihren Widerstand mit einem bis 1908 andauernden Guerillakrieg fort, der mehr als der Hälfte ihres Volkes das Leben kosten sollte. Der größere Teil der Überlebenden, etwa 21.000 Herero und mehrere tausend Nama, wurden von den Deutschen in Gefangenenlager interniert. Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow verwendete für diese Lager am 11. Dezember 1904 erstmals offiziell die Bezeichnung "Konzentrationslager". Mehr als die Hälfte der Lagerinsassen starb an den Folgen von Zwangsarbeit und unmenschlichen Haftbedingungen. Eines der grausamsten Details dieses Vernichtungskrieges waren die von Eugen Fischer betriebenen Studien an Leichenteilen, auch an Schädeln der Opfer.

Damit sollte die "Überlegenheit der deutschen Rasse über afrikanische Rassen" bewiesen werden. Im Jahre 1906 wurden an 778 Schädeln, auch an dem des Nama-Häuptlings Cornelius Frederiks, Untersuchungen durchgeführt. Weibliche Gefangene wurden gezwungen, die Schädel mit Glasscherben abzuschaben, um für Versuchs- und Dekorationszwecke geeignete Stücke zu erhalten, die Eugen Fischer im Anschluss deutschen Museen und Universitäten zur Verfügung stellte. Auch heute befinden sich noch 47 Schädel aus dieser "Sammlung" im Uniklinikum Charité in Berlin und weitere im Archiv der Universität Freiburg.

Vernichtungskrieg und Rasse-Studien sind nicht nur Details des Völkermordes an den Herero und Nama, sie sind Folge der spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung verbreiteten Ideologie von der Überlegenheit der deutschen Rasse. So stieß die von den deutschen Kolonialtruppen praktizierte Ausrottungspolitik, aber auch der seit je gegen den Kriegsbrauch verstoßende Exzess der Abtrennung von Leichenteilen in Deutschland auf wenig Widerstand.

Vor dem Hintergrund dieses verbrecherischen Abschnitts deutscher Kolonialgeschichte dürften der von Herero und Nama geforderten Rückgabe der Schädel eigentlich keine Hindernisse im Weg stehen. Doch man höre: die Charité entschuldigt sich damit, dass die Untersuchungen an den Schädeln noch nicht abgeschlossen seien, man die Präparate dann jedoch für eine ehrenvolle Bestattung zurückgeben werde. Es kommt noch besser: das Archiv der Universität Freiburg verteidigt die Sammlung von Schädel und Knochen gar als "Kulturgut".

Angesichts eines derart unsensiblen Umgangs mit den Gefühlen der Nachkommen der Opfer sollte man die Frage nach einer längst fälligen Wiedergutmachung besser nicht stellen. Immerhin hatte die Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) anlässlich der Gedenkfeiern zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg im Jahre 2004 das Massaker an den Herero als Völkermord bezeichnet und sich für die von Deutschen begangenen Verbrechen entschuldigt. Die Anerkennung des Unrechts den Nachkommen der Opfer gegenüber scheint jedoch in weiter Ferne zu liegen. Denn daraus könnten nach geltendem Völkerrecht Ansprüche auf Wiedergutmachung abgeleitet werden. So wurde Ende Juni im Bundestag ein Antrag der Linksfraktion abgelehnt, in der die Linke für eine Wiedergutmachung der deutschen Kolonialverbrechen plädierte.

Niemanden freilich stört es, dass auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm in Berlin ein Denkmal für die in den Überseegebieten, etwa auch in Deutsch-Südwestafrika, gefallenen deutschen Soldaten steht; am Volkstrauertag finden dort Treffen rechtsgerichteter Gruppierungen statt.

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6 Kommentare

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  • DP
    Daniel Preissler

    Ich erlaube mir einige Bemerkungen zum Artikel von Michael Berger.

    Berger nennt den Völkermord an den Herero und Nama den „ersten(n) Völkermord des 20. Jh.“. Das ist allein mit dem Verweis auf den Kolonialkrieg der USA auf den Phillippinen (1899-1902/1913) nicht haltbar. Die Vermutung liegt nahe, das der Autor den ersten deutschen Völkermord meint und den Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika (DSWA) als Brücke zwischen der militaristischen, rassistischen Einstellung vieler Deutscher im späten 19. Jh. Und dem Nationalsozialismus sieht. So spricht er auch von der „Ideologie der Überlegenheit der deutschen Rasse“, welche für die Verbrechen der deutschen Schutztruppler verantwortlich gewesen sei. Hier gilt es aber zu unterscheiden zwischen dem Gefühl der Überlegenheit der weißen Rasse (nicht der deutschen), welches damals praktisch universell war und General v. Trotha als Grundlage für seine menschenverachtende „Politik“ diente, und dem Anspruch der Deutschen, in Europa und der Welt eine Vormachtstellung einzunehmen. Die angebliche Überlegenheit der Deutschen wurde also im Propagandakrieg mit den anderen europäischen Mächten, speziell Großbritannien und Frankreich verwendet, während in den Agitationen v. Trothas und anderer, was den Kolonialkrieg anbelangt, von einem „Rassenkrieg“ (Trotha) zwischen Weißen und Schwarzen gesprochen wurde.

    Es ist auch strittig, ob man die deutsche „Rassenpolitik“ in DSWA als Grund für den Aufstand der Herero nennen kann, da eine solche (strukturell – als echte Politik eben) erst nach Ende des Krieges zum tragen kam. Dass sich die Schutztruppen häufig als wahre Rassisten verhielten und dies (Tötungen, Vergewaltigungen, Missachtung) ein Grund für den Aufstand war, ist unstrittig.

    Auch schreibt der Autor, die Nama hätten sich dem Aufstand der Herero im Okt. 1904 angeschlossen. Dies ist schlicht falsch. Zwar spielte die grausame Behandlung der Herero durch die Deutschen eine Entscheidende Rolle bei der Entscheidung der Nama, sich ebenfalls zu erheben (z.B. das Erschießen von aufgebenden Herero-Chiefs), der Aufstand der Witboii und anderer Nama (die z.T. an der Niederschlagung des Herero-Aufstandes beteiligt gewesen waren), bleibt allerdings ein eigener Krieg. Es gab nur wenige Gruppen (wie die von Jakob Morenga), in denen Herero und Nama gemeinsam gegen die Deutschen kämpften.

    Berger behauptet, dass „tausende Herero(s)“ in der Schlacht am Waterberg erschossen wurden oder in der Wüste umkamen. Dies ist interessanter Weise für gewöhnlich eine Argumentation der Rechten, um die Zahl derer, die durch die Abriegelung der Omaheke-Wüste umkamen, niedrig zu halten. Tatsächlich hatten die Herero nicht sehr viele Opfer durch die Schlacht selber zu beklagen (die eigentlich eher aus einem Überfall und zwei Scharmützeln bestand).

    Die Konzentrationslager, die man ruhig ohne Anführungszeichen so nennen dürfte, wenn man nicht beabsichtigte, beim Leser eine Assoziation zu den Lagern der Nazis hervorzurufen, konnten übrigens im Dezember 1904 noch nicht die Mehrzahl der überlebenden Nama aufnehmen, wenn diese noch bis 1908 (eher 1907) Krieg führten. Bei der Bennenung der Lager wurde wie so oft das große deutsche Vorbild Großbritannien bemüht, das seine Internierungslager im Burenkrieg (die wohl eine ähnlich hohe Sterblichkeitsrate aufwiesen) concentration camps genannt hatte.

    Angesichts der Schrecken in den Lagern und der brutalen „Dursttod“-Politik v. Trothas, finde ich es übrigens unverständlich, wie man die Studien an Leichenteilen als eines der grausamsten Details des Krieges bezeichnen kann.

    Schließlich kann ich mir nicht erklären, warum Frau Wieczorek-Zeul 2004 von einem Massaker gesprochen haben sollte (s.o.), da der Krieg nicht durch verlustreiche Schlachten zu einem Völkermord wurde, sonder durch die Abriegelung der Wüste, also das bewusste verdursten lassen (zig-)tausender Herero und durch die Verhältnisse in den Lagern.

    Bleibt zu sagen, dass der Autor natürlich absolut Recht hat, wenn er die Benennung von Bundeswehrkaserne nach Lettow-Vorbeck und das Verhalten des Freiburger Archivs und der Charité als Skandal sieht. Das Argument, die Studien (an den Schädeln) seien noch nicht abgeschlossen, macht einen wirklich fassungslos.

    Schade ist, dass Berger (vielleicht ungewollt?) die Interpretation(en) nahe legt, ein vornazistisches Regime hätte gegen geschlossen auftretende Afrikaner verschiedener Volksgruppen den Holocaust quasi schon mal im Kleinen durchgespielt. Wenn man allerdings den Krieg und den Völkermord an den Herero und Nama mit etwas vergleichen will, bieten sich hierfür die Kriegführung der Wehrmacht im Osten, noch viel mehr allerdings die schon erwähnten (Kolonial-) Kriege der US-Amerikaner gegen die Filipinos und der Briten gegen die Buren (und die Internierung vieler Schwarzafrikaner durch die Briten in diesem Krieg) an, da diese zeitlich ungleich näher liegen und dabei Kämpfer und Zivilisten gleichermaßen interniert wurden. Der Autor wollte wohl einfach die Leser da abholen, wo er sie vermutet, und hat sich bei der fälligen Reduktion etwas vertan. Schade.

    Daniel Preissler, Freiburg

  • FS
    Frau S.

    Es ist unglaublich erschreckend und empörend so etwas zu lesen.

    Was bitte wollen die Herren und Damen der Charite denn bitte noch untersuchen?

    Die "Überlegenheit des deutschen Volkes", oder was ? Man könnte meinen Deutschland hätte etwas aus seinen schrecklichen Historie speziell des letzten Jhd. gelernt und man würde daraus resultierend in diesem Land etwas mehr Sensibilität in Bezug auf solche Themen zeigen.

  • DP
    Daniel Preissler

    Ich erlaube mir einige Bemerkungen zum Artikel von Michael Berger.

    Berger nennt den Völkermord an den Herero und Nama den „ersten(n) Völkermord des 20. Jh.“. Das ist allein mit dem Verweis auf den Kolonialkrieg der USA auf den Phillippinen (1899-1902/1913) nicht haltbar. Die Vermutung liegt nahe, das der Autor den ersten deutschen Völkermord meint und den Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika (DSWA) als Brücke zwischen der militaristischen, rassistischen Einstellung vieler Deutscher im späten 19. Jh. Und dem Nationalsozialismus sieht. So spricht er auch von der „Ideologie der Überlegenheit der deutschen Rasse“, welche für die Verbrechen der deutschen Schutztruppler verantwortlich gewesen sei. Hier gilt es aber zu unterscheiden zwischen dem Gefühl der Überlegenheit der weißen Rasse (nicht der deutschen), welches damals praktisch universell war und General v. Trotha als Grundlage für seine menschenverachtende „Politik“ diente, und dem Anspruch der Deutschen, in Europa und der Welt eine Vormachtstellung einzunehmen. Die angebliche Überlegenheit der Deutschen wurde also im Propagandakrieg mit den anderen europäischen Mächten, speziell Großbritannien und Frankreich verwendet, während in den Agitationen v. Trothas und anderer, was den Kolonialkrieg anbelangt, von einem „Rassenkrieg“ (Trotha) zwischen Weißen und Schwarzen gesprochen wurde.

    Es ist auch strittig, ob man die deutsche „Rassenpolitik“ in DSWA als Grund für den Aufstand der Herero nennen kann, da eine solche (strukturell – als echte Politik eben) erst nach Ende des Krieges zum tragen kam. Dass sich die Schutztruppen häufig als wahre Rassisten verhielten und dies (Tötungen, Vergewaltigungen, Missachtung) ein Grund für den Aufstand war, ist unstrittig.

    Auch schreibt der Autor, die Nama hätten sich dem Aufstand der Herero im Okt. 1904 angeschlossen. Dies ist schlicht falsch. Zwar spielte die grausame Behandlung der Herero durch die Deutschen eine Entscheidende Rolle bei der Entscheidung der Nama, sich ebenfalls zu erheben (z.B. das Erschießen von aufgebenden Herero-Chiefs), der Aufstand der Witboii und anderer Nama (die z.T. an der Niederschlagung des Herero-Aufstandes beteiligt gewesen waren), bleibt allerdings ein eigener Krieg. Es gab nur wenige Gruppen (wie die von Jakob Morenga), in denen Herero und Nama gemeinsam gegen die Deutschen kämpften.

    Berger behauptet, dass „tausende Herero(s)“ in der Schlacht am Waterberg erschossen wurden oder in der Wüste umkamen. Dies ist interessanter Weise für gewöhnlich eine Argumentation der Rechten, um die Zahl derer, die durch die Abriegelung der Omaheke-Wüste umkamen, niedrig zu halten. Tatsächlich hatten die Herero nicht sehr viele Opfer durch die Schlacht selber zu beklagen (die eigentlich eher aus einem Überfall und zwei Scharmützeln bestand).

    Die Konzentrationslager, die man ruhig ohne Anführungszeichen so nennen dürfte, wenn man nicht beabsichtigte, beim Leser eine Assoziation zu den Lagern der Nazis hervorzurufen, konnten übrigens im Dezember 1904 noch nicht die Mehrzahl der überlebenden Nama aufnehmen, wenn diese noch bis 1908 (eher 1907) Krieg führten. Bei der Bennenung der Lager wurde wie so oft das große deutsche Vorbild Großbritannien bemüht, das seine Internierungslager im Burenkrieg (die wohl eine ähnlich hohe Sterblichkeitsrate aufwiesen) concentration camps genannt hatte.

    Angesichts der Schrecken in den Lagern und der brutalen „Dursttod“-Politik v. Trothas, finde ich es übrigens unverständlich, wie man die Studien an Leichenteilen als eines der grausamsten Details des Krieges bezeichnen kann.

    Schließlich kann ich mir nicht erklären, warum Frau Wieczorek-Zeul 2004 von einem Massaker gesprochen haben sollte (s.o.), da der Krieg nicht durch verlustreiche Schlachten zu einem Völkermord wurde, sonder durch die Abriegelung der Wüste, also das bewusste verdursten lassen (zig-)tausender Herero und durch die Verhältnisse in den Lagern.

    Bleibt zu sagen, dass der Autor natürlich absolut Recht hat, wenn er die Benennung von Bundeswehrkaserne nach Lettow-Vorbeck und das Verhalten des Freiburger Archivs und der Charité als Skandal sieht. Das Argument, die Studien (an den Schädeln) seien noch nicht abgeschlossen, macht einen wirklich fassungslos.

    Schade ist, dass Berger (vielleicht ungewollt?) die Interpretation(en) nahe legt, ein vornazistisches Regime hätte gegen geschlossen auftretende Afrikaner verschiedener Volksgruppen den Holocaust quasi schon mal im Kleinen durchgespielt. Wenn man allerdings den Krieg und den Völkermord an den Herero und Nama mit etwas vergleichen will, bieten sich hierfür die Kriegführung der Wehrmacht im Osten, noch viel mehr allerdings die schon erwähnten (Kolonial-) Kriege der US-Amerikaner gegen die Filipinos und der Briten gegen die Buren (und die Internierung vieler Schwarzafrikaner durch die Briten in diesem Krieg) an, da diese zeitlich ungleich näher liegen und dabei Kämpfer und Zivilisten gleichermaßen interniert wurden. Der Autor wollte wohl einfach die Leser da abholen, wo er sie vermutet, und hat sich bei der fälligen Reduktion etwas vertan. Schade.

    Daniel Preissler, Freiburg

  • FS
    Frau S.

    Es ist unglaublich erschreckend und empörend so etwas zu lesen.

    Was bitte wollen die Herren und Damen der Charite denn bitte noch untersuchen?

    Die "Überlegenheit des deutschen Volkes", oder was ? Man könnte meinen Deutschland hätte etwas aus seinen schrecklichen Historie speziell des letzten Jhd. gelernt und man würde daraus resultierend in diesem Land etwas mehr Sensibilität in Bezug auf solche Themen zeigen.

  • DP
    Daniel Preissler

    Ich erlaube mir einige Bemerkungen zum Artikel von Michael Berger.

    Berger nennt den Völkermord an den Herero und Nama den „ersten(n) Völkermord des 20. Jh.“. Das ist allein mit dem Verweis auf den Kolonialkrieg der USA auf den Phillippinen (1899-1902/1913) nicht haltbar. Die Vermutung liegt nahe, das der Autor den ersten deutschen Völkermord meint und den Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika (DSWA) als Brücke zwischen der militaristischen, rassistischen Einstellung vieler Deutscher im späten 19. Jh. Und dem Nationalsozialismus sieht. So spricht er auch von der „Ideologie der Überlegenheit der deutschen Rasse“, welche für die Verbrechen der deutschen Schutztruppler verantwortlich gewesen sei. Hier gilt es aber zu unterscheiden zwischen dem Gefühl der Überlegenheit der weißen Rasse (nicht der deutschen), welches damals praktisch universell war und General v. Trotha als Grundlage für seine menschenverachtende „Politik“ diente, und dem Anspruch der Deutschen, in Europa und der Welt eine Vormachtstellung einzunehmen. Die angebliche Überlegenheit der Deutschen wurde also im Propagandakrieg mit den anderen europäischen Mächten, speziell Großbritannien und Frankreich verwendet, während in den Agitationen v. Trothas und anderer, was den Kolonialkrieg anbelangt, von einem „Rassenkrieg“ (Trotha) zwischen Weißen und Schwarzen gesprochen wurde.

    Es ist auch strittig, ob man die deutsche „Rassenpolitik“ in DSWA als Grund für den Aufstand der Herero nennen kann, da eine solche (strukturell – als echte Politik eben) erst nach Ende des Krieges zum tragen kam. Dass sich die Schutztruppen häufig als wahre Rassisten verhielten und dies (Tötungen, Vergewaltigungen, Missachtung) ein Grund für den Aufstand war, ist unstrittig.

    Auch schreibt der Autor, die Nama hätten sich dem Aufstand der Herero im Okt. 1904 angeschlossen. Dies ist schlicht falsch. Zwar spielte die grausame Behandlung der Herero durch die Deutschen eine Entscheidende Rolle bei der Entscheidung der Nama, sich ebenfalls zu erheben (z.B. das Erschießen von aufgebenden Herero-Chiefs), der Aufstand der Witboii und anderer Nama (die z.T. an der Niederschlagung des Herero-Aufstandes beteiligt gewesen waren), bleibt allerdings ein eigener Krieg. Es gab nur wenige Gruppen (wie die von Jakob Morenga), in denen Herero und Nama gemeinsam gegen die Deutschen kämpften.

    Berger behauptet, dass „tausende Herero(s)“ in der Schlacht am Waterberg erschossen wurden oder in der Wüste umkamen. Dies ist interessanter Weise für gewöhnlich eine Argumentation der Rechten, um die Zahl derer, die durch die Abriegelung der Omaheke-Wüste umkamen, niedrig zu halten. Tatsächlich hatten die Herero nicht sehr viele Opfer durch die Schlacht selber zu beklagen (die eigentlich eher aus einem Überfall und zwei Scharmützeln bestand).

    Die Konzentrationslager, die man ruhig ohne Anführungszeichen so nennen dürfte, wenn man nicht beabsichtigte, beim Leser eine Assoziation zu den Lagern der Nazis hervorzurufen, konnten übrigens im Dezember 1904 noch nicht die Mehrzahl der überlebenden Nama aufnehmen, wenn diese noch bis 1908 (eher 1907) Krieg führten. Bei der Bennenung der Lager wurde wie so oft das große deutsche Vorbild Großbritannien bemüht, das seine Internierungslager im Burenkrieg (die wohl eine ähnlich hohe Sterblichkeitsrate aufwiesen) concentration camps genannt hatte.

    Angesichts der Schrecken in den Lagern und der brutalen „Dursttod“-Politik v. Trothas, finde ich es übrigens unverständlich, wie man die Studien an Leichenteilen als eines der grausamsten Details des Krieges bezeichnen kann.

    Schließlich kann ich mir nicht erklären, warum Frau Wieczorek-Zeul 2004 von einem Massaker gesprochen haben sollte (s.o.), da der Krieg nicht durch verlustreiche Schlachten zu einem Völkermord wurde, sonder durch die Abriegelung der Wüste, also das bewusste verdursten lassen (zig-)tausender Herero und durch die Verhältnisse in den Lagern.

    Bleibt zu sagen, dass der Autor natürlich absolut Recht hat, wenn er die Benennung von Bundeswehrkaserne nach Lettow-Vorbeck und das Verhalten des Freiburger Archivs und der Charité als Skandal sieht. Das Argument, die Studien (an den Schädeln) seien noch nicht abgeschlossen, macht einen wirklich fassungslos.

    Schade ist, dass Berger (vielleicht ungewollt?) die Interpretation(en) nahe legt, ein vornazistisches Regime hätte gegen geschlossen auftretende Afrikaner verschiedener Volksgruppen den Holocaust quasi schon mal im Kleinen durchgespielt. Wenn man allerdings den Krieg und den Völkermord an den Herero und Nama mit etwas vergleichen will, bieten sich hierfür die Kriegführung der Wehrmacht im Osten, noch viel mehr allerdings die schon erwähnten (Kolonial-) Kriege der US-Amerikaner gegen die Filipinos und der Briten gegen die Buren (und die Internierung vieler Schwarzafrikaner durch die Briten in diesem Krieg) an, da diese zeitlich ungleich näher liegen und dabei Kämpfer und Zivilisten gleichermaßen interniert wurden. Der Autor wollte wohl einfach die Leser da abholen, wo er sie vermutet, und hat sich bei der fälligen Reduktion etwas vertan. Schade.

    Daniel Preissler, Freiburg

  • FS
    Frau S.

    Es ist unglaublich erschreckend und empörend so etwas zu lesen.

    Was bitte wollen die Herren und Damen der Charite denn bitte noch untersuchen?

    Die "Überlegenheit des deutschen Volkes", oder was ? Man könnte meinen Deutschland hätte etwas aus seinen schrecklichen Historie speziell des letzten Jhd. gelernt und man würde daraus resultierend in diesem Land etwas mehr Sensibilität in Bezug auf solche Themen zeigen.