Dioxin-Skandal erreicht Berlin: Sauschwierige Suche
In drei Bezirken ist möglicherweise verseuchtes Fleisch aus Irland gelandet. Gefunden wurde bisher nichts, und überhaupt wiegeln die Behörden ab: So gefährlich seien die Dioxinmengen nicht.
Die Senatsgesundheitsverwaltung gab sich am Donnerstag erleichtert: Nach dem Dioxin-Skandal ist in Berlin bisher kein verseuchtes Schweinefleisch entdeckt worden. Allerdings ist die Nachricht nach kurzem Überlegen kaum mehr ein Grund zur Freude. Bis die in mehreren fleischverarbeitenden Betrieben entnommenen Proben untersucht sind, dürfte es eher Wochen denn Tage dauern - zu spät für die Verbraucher.
"Ich gehe davon aus, dass schon ein großer Teil der betroffenen Wurstwaren verzehrt wurde, wenn nicht der größte", sagte der zuständige Bezirksstadtrat in Tempelhof-Schöneberg, Oliver Schworck (SPD). Und Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) bezweifelte, dass der Skandal überhaupt aufgeklärt werde. Verarbeitungsprodukte müssten nicht gekennzeichnet werden.
In Schworcks Bezirk haben Veterinäre in zwei Betrieben Fleisch aus Irland ausgemacht, das inzwischen zu Rohwürsten verarbeitet wurde. "Wir haben Proben von diesen Würsten genommen", sagte Schworck. Er warnte zugleich vor Panik. Verbraucher müssten"schon eine Unmenge von Salami essen, dass sie überhaupt etwas merken".
Berlin war durch eine Schnellwarnung der EU auf das möglicherweise belastete Fleisch aufmerksam geworden. Die Gesundheitsverwaltung geht davon aus, dass etwa 90 Tonnen Fleisch aus Irland über Nordrhein-Westfalen und Brandenburg nach Berlin kamen. Ob wirklich der Krebserreger Dioxin oder Dioxin-ähnliche Stoffe darin enthalten sind, ist unklar.
Das Fleisch ist außer in Tempelhof-Schöneberg in den Bezirken Reinickendorf und Spandau gelandet. In letzterem Bezirk erhielt ein Betrieb mehr als 30 Tonnen. "Entscheidend ist für uns, alles, was geht, noch aus dem Verkehr zu ziehen", sagte Stadtrat Martin Matz (SPD). In Reinickendorf zogen die Behörden eine Lieferung komplett aus dem Verkehr, eine zweite Lieferung wird noch geprüft.
Die Berliner Kontrollen sind nach dem Gammelfleisch-Skandal vor zwei Jahren verstärkt und besser zwischen den Bezirken abgestimmt worden - sagen jedenfalls die Behörden. "Wir reagieren schneller und haben den Ablauf besser systematisiert", so Schworck. Das irische Fleisch fiel nun trotzdem nicht auf - es kann natürlich sein, dass es schlicht sauber ist.
Selbst die kritischen Beobachter von Foodwatch wollen den Berliner Kontrolleuren diesmal nicht den schwarzen Peter zuschieben. "So pauschal kann man nicht sagen, dass jemand irgendwo Fehler gemacht hat", sagte der stellvertretende Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt der taz. Wut packt ihn eher, wenn er an die Informationspolitik der Behörden denkt. "Die haben schlicht gar nicht informiert", schimpfte er. "Dabei sind sie per Gesetz bei einem hinreichenden Verdacht dazu verpflichtet."
Er warf der Senatsverwaltung vor, aus Rücksicht auf die ökonomischen Interessen der Wursthersteller die Belange der Verbraucher vernachlässigt zu haben. Die Gesundheitsverwaltung wies die Vorwürfe zurück. Noch am Mittwoch seien die zuständigen Stellen und die Presse informiert worden. Mehr sei für den Moment nicht drin gewesen, so eine Sprecherin. "Produktnamen dürfen nicht genannt werden, solange die Ermittlungen laufen und nicht Gefahr im Verzug ist."
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