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EZB bleibt bei ZinspolitikDie Hüter des Euro zaudern

Die Wirtschaft wird 2009 kräftig schrumpfen. Die EZB folgt der Leitzinssenkung der US-Notenbank nicht.

Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main. Bild: dpa

Die Europäische Zentralbank hat es nicht getan. Dabei hätte es allen Grund gegeben, außer der Reihe über die Zinsen nachzudenken und sie gegebenenfalls zu senken: Am Donnerstag stieg der Euro als Folge der Null-Leitzins-Politik in den USA auf 1,4616 US-Dollar. Damit wertete er in dieser Woche um 8 Prozent auf. Trotzdem beließ die EZB ihren Leitzins bei 2,5 Prozent. Statt um die aktuelle Lage sorgte sich EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark darum, was nach der Krise kommen könnte: "Die Zeit des sehr billigen Geldes kann und darf nicht ewig dauern."

Dabei zeigen alle Indikatoren, dass die Krise ihren Höhepunkt noch nicht annähernd erreicht hat. Es geht immer noch darum, sie beherrschbar zu machen. Dabei stört ein teurer Euro, der die Exporte erschwert. "Das kommt zur Unzeit", meinte Olaf Wortmann vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau.

Das Bremsen des Euro-Anstiegs wäre dabei nicht einmal das Hauptziel einer Zinssenkung. Niedrigere Zinsen würden vor allem die Kredite verbilligen und damit den stockenden Geldfluss zwischen Banken und Unternehmen in Gang bringen.

Kein Wunder, dass die Stimmung in der Wirtschaft auf einem historischen Tiefststand ist. Zumindest nach dem Ifo-Geschäftsklimaindex, für den monatlich rund 7.000 Unternehmen verschiedener Branchen befragt werden. "Die deutsche Wirtschaft ist in einer Rezession", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger. Und es sei "nicht ersichtlich", von wo das Signal für einen Aufschwung kommen solle. Vor allem die Industriefirmen bezeichneten ihre Geschäftslage angesichts einbrechender Exporte als "unbefriedigend", immer mehr wollen Stellen streichen.

In die gleiche Richtung gehen die Prognosen, die die Wirtschaftsforscher anhand ökonomischer Modelle errechnen. Gustav Horn, der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), sieht die Wirtschaft im kommenden Jahr um 1,8 Prozent einbrechen - doppelt so viel wie im bisher schlimmsten Rezessionsjahr 1975. Beim Institut für Wirtschaftsforschung in Halle prognostiziert man gar ein Minus von 1,9 Prozent, und auch die Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln senkten ihre Erwartungen auf einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,5 bis 2 Prozent.

IMK-Chef Horn empfiehlt der Bundesregierung ein Konjunkturpaket über 50 Milliarden Euro mit einer "Sprinter- und einer Langläuferkomponente": Konsumgutscheine und ein Investitionsprogramm mit mehr staatlichem Konsum.

Er forderte aber auch, den Schutzschirm für die Banken zu verbessern. Der Sonderfonds Soffin bleibt nämlich bislang auf den Bürgschaften sitzen, die die Kreditvergabe erleichtern sollen. "Die Bundesregierung muss eine Mindesteigenkapitalquote festlegen, bei deren Unterschreitung das Rettungspaket in Anspruch genommen werden muss", so Horn. Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel befürchtet, dass Deutschland bei einem Scheitern des Fonds in die gleiche Kreditklemme kommt wie die US-Wirtschaft. Dort hat die Notenbank Fed die Kreditvergabe nun selbst in die Hand genommen. "Die EZB hat sich allerdings so viele Fesseln angelegt, dass sie diesem Vorbild nur schwer folgen kann."

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1 Kommentar

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  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Wir sind bereits im Vorhof einer Deflation!!!

     

    Noch beunruhigender ist, dass die von der EZB zur Krisenbekämpfung vorgenommenen massiven Erhöhungen der Geldmenge nicht preiswirksam wurden, obwohl sie ein riesiges Inflationspotential sind. Am meisten Besorgnis muss erregen, dass die Analysen nie darauf hinweisen, dass die Erhöhung der Geldmenge durch das Sinken der Geldumlaufgeschwindigkeit überkompensiert wird. Die monetäre Analyse ist völlig unzureichend und deshalb wird auch keine monetaristische Strategie gesucht, wie ein Absturz in die Deflation verhindert werden kann. Nur die Ausdehnung der Geldmenge wird fortgesetzt - auch mit dem zusätzlichen Mittel des Ankaufs von Wertpapieren.

     

    Große Sorgen muss auch machen, dass es keine Warnrufe wegen des Unterschreitens der Schwelle von 2% Inflation gibt, obwohl vor Jahren von der EZB ausdrücklich beschlossen wurde, die Inflationsrate "unter, aber nahe 2%" zu halten, um einen "Sicherheitsabstand von der Deflation" zu halten, die bei minus Null beginnt und mit den Mitteln der Notenbank bei unzureichendem Sicherheitsabstand nicht mehr zu stoppen ist. Schon das Fallen der Inflationsraten wirkt wie eine Deflation, weil geringere Inflationsraten die Last der Schuldzinsen erhöhen und weil alle Anregungen der Nachfrage schwächer werden, die vom Steigen der Preise ausgehen.

     

    Die Notenbanken müssen lernen, dass die Leitzinsen und die Geldmengenpolitik allein nicht ausreichen. Sie müssen lernen, auch auf die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu schauen und diese ebenfalls zu steuern und zwar so, dass die Wirtschaft mit einer weit geringeren Geldmenge und dadurch mit einem geringeren Inflationspotential leben kann. Sie müssen dazu akzeptieren, dass sie das Ziel "gefühlter Geldwertstabilität" ersetzen müssen durch "gefühlte Inflation", die verlässlich "unter, aber nahe 5%"

    stabilisiert werden kann. Eine stabile Inflationsrate, die hoch genug ist, um die gesamte ausgegebene Geldmenge verlässlich auf konstanter (!) Umlaufgeschwindigkeit zu halten, ist durch geringe Änderungen der Geldmenge leicht steuerbar.

     

    Von den Notenbanken und der Öffentlichkeit erfordert die aktuelle wirtschaftliche Lage ein großes Umdenken; es hat offenbar noch nicht einmal begonnen, obwohl bereits viele - auch geldpolitische - Tabus über Bord geworfen wurden - nicht zuletzt hinsichtlich der Grenzen, die bei der Staatsverschuldung einzuhalten sind, was die ganze Ratlosigkeit offenbart.

    Nach dem Umdenken muss das schwierige Umsteuern erfolgen, für das der günstigste Zeitpunkt schon versäumt wurde; das war im Frühsommer 2008, als die Inflationsraten noch stiegen.

     

    Wie sagte doch damals Helmut Schmidt als Finanzminister Anfang der 1970er Jahre?

     

    "Lieber 5% Inflation als 5% Arbeitslosigkeit."

     

    Ludwig Paul Häußner

    Interfakultatives Institut für Entrepreneurship

    Universität Karlsruhe (TH)