Was aus Guantanamo-Gefangenen wird: Problem der Extraklasse

Der Wille, Guantánamo zu schließen, ist in der US-Regierung da. Aber was mit den Gefangenen geschehen soll, ist vollkommen unklar.

US-Soldat im Guantanamo-Camp Delta. Bild: dpa

WASHINGTON taz Angeführt vom amtierenden und künftigen Verteidigungsminister Rob Gates, soll das Pentagon Vorschläge ausarbeiten, wie das umstrittene Gefangenenlager auf Kuba geschlossen werden kann. Was mit den dort verbliebenen rund 250 Gefangenen geschehen soll, ist derzeit völlig unklar. Und die Zuversicht, dass Guantánamo in absehbarer Zeit geschlossen werden kann, ist inzwischen verflogen.

Kein Wunder, denn Guantánamo ist nicht nur eine menschenrechtlich inakzeptable Einrichtung, sondern auch ein juristisches Problem der Extraklasse.

Da wäre die Frage, ob die USA mit dem Lager nicht auch das System der Militärtribunale abschaffen. Vor diesen haben Häftlinge und Verdächtige nicht die gleichen Rechte wie vor ordentlichen Gerichten. Bush-kritische Anwälte haben immer wieder bestätigt, dass sie den Eindruck hatten, das US-Militär habe sich durchaus bemüht, die Verfahren korrekt zu handhaben. Vielmehr sei es die Bush-Regierung gewesen, die durch die Zurückhaltung von Informationen und Beweismitteln die Militärtribunale behindert habe.

Da ist die Frage, welches juristische Rahmenwerk an die Stelle der Militärtribunale treten musste. National, international? Schließlich handelte es sich bei den Häftlingen um von der Bush-Regierung als "feindliche Kämpfer" klassifizierte Bürger mit unterschiedlichsten Staatsbürgerschaften. Nicht selten aus Ländern, deren Rechtssystem nicht besser ist als das in Guantánamo.

Das juristische Knäuel beginnt bereits bei dieser Kategorie. Laut Genfer Konvention und Haager Landkriegsordnung gibt es im Angriffskrieg keine "feindlichen Kämpfer", also Privatpersonen. Will man diese Leute ins Land bringen, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie freigesprochen werden müssen?

Menschenrechtsorganisationen sind optimistisch, dass im Sommer das Oberste Gericht die Befugnisse des US-Präsidenten im Umgang mit Terrorverdächtigen einschränken könnte. Vor zwei Wochen nahm das Gericht den Fall des katarischen Staatsbürgers Ali al-Marri an, der als einziger "feindlicher Kämpfer" auf US-Gebiet inhaftiert ist. Das Gericht nahm den Fall mit der Ankündigung an, eine Grundsatzentscheidung über die Vollmacht des US-Präsidenten zu treffen, Terrorverdächtige ohne Anklage und auf unbestimmte Zeit in den USA inhaftierten zu dürfen. Obama hat bislang nicht erkennen lassen, wie er sich im Fall Al-Marris, der zum Studium in die USA eingereist, von US-Geheimdiensten heimlich abgehört und vor fünf Jahren verhaftet wurde, verhalten will.

Kritische US-Juristen sehen angesichts der Schwierigkeiten die Chancen schwinden, dass die neue Regierung die gefährlichsten der verbliebenen Inhaftierten bald in die USA überführen und dort vor Bundesgerichte stellen kann, wie es Obama beabsichtigt.

Wie vertrackt der juristische Umgang mit den Verdächtigen werden kann, davon gab kürzlich der Verhandlungstag gegen die fünf hauptverdächtigen Al-Qaida-Mitglieder einen Vorgeschmack. Unter den fünf befinden sich die mutmaßlich für die Anschläge von New York Verantwortlichen: Khalid Sheikh Mohammed und Ramsi Binalshibh, Mitglied der Hamburger Zelle.

Die Männer wollen, wie sie mehrfach beteuerten, möglichst schnell hingerichtet werden und bieten an, sich schuldig zu bekennen. Da aber zumindest die Aussagen Sheikh Mohammeds sicher unter Folter zustande kamen, können sie vor einem Strafgericht in den USA nicht verwendet werden. Je nachdem, wie das Militärgericht in Guantánamo das Verfahren zu führen gedenkt, könnte passieren, dass es ausgerechnet der Obama-Regierung obliegen wird, ein Todesurteil auszuführen. Obama bliebe sonst die Möglichkeit, die Männer freizulassen und ihnen Asyl zu gewähren. Eine Lösung, die wohl unrealistisch ist.

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