die wahrheit: Howard X und die schwarze Macht des ZDF
Das Jahr war fast schon vorüber, hatte mich durchgehend gelangweilt und ich rechnete nicht mehr damit, dass irgendetwas Bedeutendes passierte. Da ...
... schlug die Bombe ein. Mein persönlicher Smash Hit des Jahres.
Ich hatte mich desorientiert in Carmen Nebels ZDF-Weihnachtsshow hineingezappt und hörte ein Lied von Howard Carpendale beginnen. Carpendale nennt seinen Sound in Interviews gerne "internationale Popmusik", wir anderen, die nicht in Howies kleiner Parallelwelt leben, nehmen den Klang anders war: Es ist eine erbsensuppige urdeutsche 80er-Jahre-Geräusch-Matschepampe. Wenn man ganz still ist und sich mit einer superheldenartigen Energie konzentriert, glaubt man mitunter, echte Musikanteile heraushören zu können, die aber so verkocht und mit dem ESGE-Zauberstab püriert wurden, dass nur noch Moleküle davon übrig geblieben sind.
Das Intro des Songs wurde von einer jungschnatzigen, durchschnittsattraktiven Mietmusikerin gespielt, die in einem schulterfreien Abendkleid am Flügel saß und so einen schönen Gegensatz zum verlebten, bernhardinergesichtigen Carpendale bildete, der gesanglich mit folgenden Worten eröffnete: "Ich kenn ihn aus dem Fernsehen / Seit über einem Jahr / Am Anfang war ich skeptisch / Doch am Ende war mir klar / Wenn einer etwas ändert / Dann ist es sicher er …" Und spätestens jetzt wusste ich, worum es ging und hatte Angst vor jeder weiteren Zeile. Doch Howie kannte keine Gnade: "Und ich hätt auch mitgeschrien / Wenn ich dabei gewesen wär: Yes we can!"
Oh mein Gott! Howard Carpendale, der weiße Bub aus dem Apartheidland Südafrika, versuchte hier offensichtlich ein Lebenstrauma aufzuarbeiten. Oder einfach nur die Obama-Besoffenheit der Deutschen finanziell zu verwerten. Beides kann einem eigentlich egal sein, aber in der direkten Konfrontation schmerzte das Lied doch sehr: "Es war die Nacht der Nächte / Und ich war bis morgens wach / Und ich wünschte mir nichts mehr / als dass dieser schwarze Mann es schafft …"
Und passend dazu kam dann der schwarze Mann ins Bild beziehungsweise eine Gruppe schwarzer Menschen, die man für die Fernsehkamera in wallende Gospelkostüme gesteckt hatte. Um das Wohlwollen des weißen Mannes am Mikrofon zu illustrieren, mussten die Chormitglieder dann im Refrain "Yes we can" playbacken und dazu ihre Fäuste in die Luft recken, wie dereinst Tommie Smith und John Carlos bei der Olympiade in Mexiko. Zum großen Finale dieses verstörenden Black-Power-Mini-Musicals ließ der Regisseur den Chor dann auch noch nach vorne zum Bühnenrand stampfen als befänden sie sich auf dem Marsch nach Washington. Und Howard Luther King hob an zur Moral des Songs: "Schreibt es groß auf Häuserwände / Malt die Straßen damit voll …" Ja, was denn, womit denn? Keine Macht für niemand? Neue Männer braucht das Land? Nein: "Wir können alles, wenn wirs wolln."
Wer würde da widersprechen wollen? Selbstverständlich können wir alles! Sogar einen FDP-Schlager über Obama schreiben, damit im Fernsehen auftreten und im Hintergrund einen pittoresken Gospelchor tanzen lassen. Man muss nur abgefuckt genug sein.
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