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Schuldfrage bei Althaus' SkiunfallRätsel hinterm Fangzaun

Auf die Sicht der Dinge kommt es an, aber: Vor allem die Schuldfrage beim Skiunfall von Althaus wiegt schwer.

Tragödie oder persönliche Schuld? Die Unfallstelle, an der Althaus mit der Frau zusammenrauschte. Bild: ap

Natürlich lässt sich der Skiunfall des thüringischen CDU-Ministerpräsidenten Dieter Althaus nicht vergleichen mit dem Autounfall, den der damalige CSU-Generalsekretär Otto Wiesheu vor 25 Jahren verursachte. Wiesheu fuhr im Alkoholrausch einen Rentner tot. Althaus stieß am Neujahrstag auf der Skipiste mit einer vierfachen Mutter zusammen, die starb. Die Schuldfrage ist hier ungeklärt - und beschäftigt die Öffentlichkeit, weil sich daraus Fragen nach Schicksal und Verantwortung ergeben.

Die Faktenlage erlaubt es bisher nicht, eine eindeutige Schuld Althaus oder der getöteten Skifahrerin Beata C. zuzuschreiben. Die beiden Pisten münden in eine Kreuzung ein. Althaus kam zwar von rechts. Eine Vorfahrtsregelung rechts vor links wie im Straßenverkehr gibt es auf Österreichs und Deutschlands Pisten jedoch nicht.

Laut dem Foto der Polizei von der Unfallstelle lagen die beiden kollidierten Skifahrer auf einer Stelle oberhalb eines kurzen Fangzauns, ein paar Meter hinein in der Piste von Beata C. Ist Althaus dort hineingefahren, vielleicht versehentlich, dann trifft ihn eine erhebliche Mitschuld an dem Zusammenstoß. Weitere Augenzeugen aber gibt es nicht. Althaus wurde noch nicht zum Unfall befragt, nach Ansicht der Ärzte wird er sich nicht erinnern können.

Wo also beginnt die Tragödie und wo die Verantwortung? Trägt der österreichische Staat oder Skiverband eine Mitverantwortung, weil es angesichts des steigenden Skifahreraufkommens fahrlässig ist, keine Vorfahrtsregeln auf den Pisten zu schaffen? Es gelten nur die vagen Verhaltensregeln des internationalen Skiverbands FIS, nach denen Skifahrer sich "vergewissern" müssen, dass sie ohne Gefahr für sich und andere in eine Piste einfahren können. In Italien gibt es auf den Skipisten bereits eine Rechts-vor-links-Regel.

Keine klaren Vorfahrtsregeln, keine klaren Überholvorschriften, kein Rechtsfahrgebot, keine Helmpflicht - das ist schon bemerkenswert in einem Sport, in dem Skifahrer mit Geschwindigkeiten bis zu 50 Stundenkilometern die Pisten herunterrauschen.

Die Frage nach seiner persönlichen Schuld dürfte Althaus jedoch nicht mehr loswerden und die CDU in Thüringen im kommenden Landtagswahlkampf belasten. Ist der selbst schwer verletzte Althaus nur Opfer oder auch ein bisschen Täter? In dieser Frage kann sich das Publikum auch gerne mal als Richter aufspielen, was den Reiz der Debatte erhöht.

Autoraser Wiesheu trat damals übrigens als CSU-Generalsekretär zurück, wurde aber später Verkehrsminister in Bayern. Sein Unfall erschien vielen Wählern im Nachhinein dann doch vor allem als persönliche Tragödie. Auf die Sicht der Dinge kommt es an. Nicht nur beim Abfahren.

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13 Kommentare

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  • RB
    Robi Biswas

    Man stelle sich vor, ein "Normalsterblicher" hätte von einer roten (schweren) Strecke kommend in die leichtere blaue einbiegend eine 4-fache Mutter mit frontal und tödlich verletzt.

     

    "Was für ein Rowdy auf den Pisten"... und ähnliches würde man hören und nicht wie jetzt:

    "Das könnte jedem mal passieren"...

     

    Wenn ich als Geisterfahrer einen Menschen Tod fahre, kann man nicht sagen: "Das könnte jedem mal passieren". Ich möchte mal sehen, wie die Staatsanwälte Althaus in die Enge treiben werden:

     

    "Sie sind doch ein guter Skifahrer, oder warum fahren Sie die rote Strecke?"

     

    "Haben Sie sich nicht vorher mit den Gegebenheiten vertraut gemacht?"

     

    "Sind Sie das erste Mal die Strecke gefahren? Warum sind Sie dann so gerast, dass Sie eine Gefahr für andere darstellen?"... "Wenn nein, dann wussten Sie also, dass Sie hier gegen die Fahrtrichtung fahren, dass Sie ein Geisterfahrer sind?"

     

    "Wie würden Sie mit Geisterfahrer in der Bundesrepublik verfahren?"

     

    "Ist Ihnen eigentlich bewusst, was sie Ihrem Opfer mit Ihrem Fehlverhalten angetan haben?"

     

    Die Frage ist nun, ob die Staatsanwälte das hier wie üblich tun werden, oder ob sie etwa Rücksicht auf die politische Position von Althaus nehmen?

     

    Was wäre gerecht?

     

    Grüsse aus Ulm

  • S
    Skilehrer

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    Jetzt sollte man warten, bis die Zeugenaussage und die Blutbilder ausgewertet sind.

     

    An die TAZ:

    Das Skifahren hat nichts mit Politik zu tun ! Es wäre sicher beiden Beteiligten gegönnt, wenn es nicht zum Unfall gekommen wäre !

     

    Es gibt derzeit noch viel zu viele Möglichkeiten und Eventualitäten, z.B. Drittbeteiligung, Abdrängen, etc. FIS Regel Nr. 5 steht immer in Verbindung mit 1, kommt aber dazu, dass man (z.B.) von einem Schnelleren zur Richtungsänderung gezwungen wird, sieht das schon wieder anders aus. Eine spekulative Schuldzuweisung ist weder respektvoll gegenüber der Toten noch gegenüber dem Überlebenden und dessen Zukunft.

  • JF
    Jürgen F.

    Wie immer wenn es um Politik geht muss man sagen es riecht. Keine Familie, keine Security, niemand seitens des Ministers hat etwas gesehen. Die rote Piste ist von oben eigentlich sehr gut einsehbar, Althaus muss schon mächtig Vorsprung gehabt haben. Und er erinnert sich natürlich nicht mehr!?

     

    M.E. spricht der Unfallort eine eindeutige Sprache, da hat er von der roten Piste kommend aber mal gar nichts verloren, und natürlich nicht in diesem Tempo. Wiiso oft hat sich da wohl jemand mächtig überschätzt was sein Fahrkönnen angeht, leider zu Lasten seiner Unfallgegenerin.

     

     

    zu PeKa:

    Die "Blindflieger" waren hier keine Boarder sondern beide Skifahrer, mindestens einer mit nicht ausreichendem Fahrkönnen.

  • HE
    Häberle, Eugen

    "Keine klaren Vorfahrtsregeln, keine klaren Überholvorschriften, kein Rechtsfahrgebot, keine Helmpflicht - das ist schon bemerkenswert in einem Sport, in dem Skifahrer mit Geschwindigkeiten bis zu 50 Stundenkilometern die Pisten herunterrauschen"

     

    Die Autorin ist offensichtlich noch nie auf zwei Brettern stehend den Hang hinunter gefahren ansonsten wäre es ihr klar, dass die Situation beim Skifahren sich nicht mit dem vergleichsweise geringen Komplexität des Straßenverkehrs vergleichen lassen. Es gibt Pisten die sind 100 und mehr Meter breit, sich oft aufteilen und wieder verbunden werden, wie soll da ein Rechtsfahrgebot aussehen?

    50 km/h ist auch keine Höchstgeschwindigkeit sondern ein Tempo, das bereits von vielen mittleren Skifahreren erreicht wird, ohne als bedrohlich empfunden zu werden. Die echten Pistensäue fahren mit 80+ die Hügel runter.

    Regeln der oben angeführten Form helfen hier wenig, und sind eigentlich auch nicht nötig wenn sich jeder seinen Fähigkeiten angepasst verhält. Wenn überhaupt so würde ich mich für ein Reglementierung des Alkoholkonsums aussprechen, denn wenn der Verstand Alkoholbedingt ausgeschalten ist helfen auch die pingeligsten Regeln nicht!

  • P
    PeKa

    Es ist besonders tragisch, wenn ein Skiunfall so endet. Trotzdem einige Bemerkungen dazu.

    Der grün gekennzeichnete Unfallort (wenn das auch so stimmt?!) gibt etwas zu denken. Besonders dann, wenn man selber begeisterter Alpinskifahrer ist. Der Ort des Zusammenstoßes befindet sich eben nicht im Kreuzungsbereich, sondern im Kreuzungs-Einfahrtbereich der blauen Piste (Die Skifahrerin war noch gar nicht in den gefährlichen Bereich eingefahren!!!). Außerdem ist dieser Kreuzungsbereich sehr gut einzusehen, von beiden Pisten aus (s. Bildmaterial).

    Aber!!! Wenn ein Fahrer auf der roten Piste Schuß fährt, vor dem Kreuzungsbereich seine Geschwindigkeit nicht so reduziert, dass er, wenn nötig, eine Gewaltbremsung (oder ein hartes Ausweichen) durchführen kann, dann ist das zumindest mit den FIS-Regeln nicht mehr konform.

    Wenn es dann noch zu einer Fehlentscheidung kommt, die Geschwindigkeit am "Gegenhang" (hier blaue Piste) zu mindern, dann auch noch nicht einmal eine scharfe Richtungsänderung (ein hartes Ausweichen) möglich ist (da spielt Können auch eine gewisse Rolle, bei heutige Carvern sind schon extreme Richtungsänderungen möglich), dann kann man eigentlich nur einen Schluß ziehen:

    Den Fahrer auf der roten Piste trifft wohl die weit aus größere wenn nicht sogar die alleinige Schuld!

    Das erweckt die tödlich verunglückte Skifahrerin und Mutter leider nicht wieder zum Leben. Mein Mitgefühl mit der Familie, helfen tut das aber leider auch nicht viel. Gilt aber auch für Herrn Althaus und seine Familie! Alles schlimm genug.

    Noch einige Bemerkungen zum Thema.

    Vorausschauendes Fahren: Besonders kritisch sind Begegnungen zwischen Snowbordern oder Snowborder und Skifahrer. Dabei sind die Blindflieger so gut wie immer die Snowborder, wegen der Stellung auf dem Snowbord zwangsläufig. Ein Skifahrer hat da immer noch den größeren symmetrischen Blickwinkel.

    Skigebiete: Ein Skigebiet im Zillertal hat es da auch in sich - das Penkental - zwischen Penken und Horberg gelegen. Dort kreuzen sich nicht nur viele Pisten, im Tal selbst stoßen sie aufeinander - das macht vielleicht "Freude"! Wenn man in diesem Wirrwarr nicht höllisch aufpasst, dann knallt man zusammen. Ansonsten ist dieses Skigebiet eines vom Feinsten!!! Besonders die "Harakiri" und "Devils Run", aber nicht nur die.

    Skihelm: Was ein wenig verwundert, ist der Umstand, dass nur Althaus mit Skihelm unterwegs war, und es deshalb zu den verheerenden Verletzungen bei der erfahreren Skifahrerin kam. Es muss immer und immer wieder darauf hingewiesen werden, nie ohne Skihelm auf die Piste!!!

    Geschwindigkeit: Und fahrt eben nur so schnell, dass ihr auch sicher bremsen (oder zumindest ausweichen) könnt!!!

  • EM
    Ein Mensch

    Was würden denn klare Regeln bringen?

     

    Man muss sich nur mal an eine Kreuzberger Ampel stellen, um dort Fahrradfahrer zu beobachten: Es wird munter rechts überholt, bei Rot rübergefahren, nachts häufig ohne Licht, es wird auf Gehwegen gefahren, etc. Warum sollte es beim Skifahren anders laufen?

     

    Ach ja, eine Helmpflicht bei Radfahrern würde vermutlich auch vielen Menschen das Leben retten, da ähnlich Geschwindigkeiten.

     

    Und ja, der Artikel hat ein ekliges Geschmäckle. Alleine schon der indirekte Vergleich mit Wiesheu (ja, ja, ich weiss, toll rethorisch gemacht. Die BILD hätte es nicht besser gekonnt).

  • K
    K.W.

    Würde die taz so vehemnt auf Beachtung der Schuldfrage pochen, handelte es sich hier um einen Politiker oder gar Politikerin einer anders gepolten Partei? Die übertriebene Politisierung, vermischt mit unseriöser Meinungsmache, ekelt mich an und stinkt nach Voyeurismus. Schwerer als irgendeine Schuldfrage wiegen die Tatsachen, nämlich die ruinierte Gesundheit Althaus' und das unwiederbringliche Menschenleben der Frau - der Schuldfrage sollte nachgegangen werden, aber nicht auf diese hetzerische Art und Weise, denn Wiedergutmachung ist selbst so nicht möglich. Ich für meinen Teil wittere zu sehr einen Hauch Hetzkampagne und unangebrachte Polarisierung und weiß, dass ich die nächsten Ausgaben unberührt am Zeitungsstand liegen lassen werde, denn Menschlichkeit ist mir wichtiger als Polarisierung um jeden Preis.

  • CA
    Christian Albers

    Gebührt nicht der Respekt vor dem Todesopfer und dem Verletzten, Spekulationen über den Täter / die Täterin zurückzustellen bis weitere Erkenntnisse vorliegen? Das Publikum soll sich als Richter aufspielen? Etwa genauso unterschwellig wie Frau Dribbusch? Oder sollen wir an den Tatort fahren, und die nicht vorhandenen Augenzeugen befragen? Ob der Artikel genauso erschienen wäre, wenn der "Täter" nicht ein CDU-Politiker wäre?

  • M
    micky

    Ich frage mich warum alle einen Schuldigen suchen und von Schuld sprechen. Es war allem Anschein nach einfach ein sehr sehr tragischer Unfall.

  • V
    vic

    Ich schätze, die Schuldfrage ist allein aufgrund versicherungstechnischer Gründe für eben diese Versicherungen interessant.

    Ansonsten und obwohl ich keine Ahnung von Skifahren habe; wie wär´s mit einem Stück getrennte Piste als "Einfädelspur? Getrennt durch einen flexiblen Zaun natürlich.

  • T
    tazilo

    Ob die etwas reißerische Sicht des Artikels mit der gebotenen Sorgfalt einhergeht, überlasse ich der nachträglichen Prüfung der Verfasserin.

     

    Auf die sorgfältige Sicht kommt es aber vor allem beim Skifahren an und daher gelten einfache Regeln,

    - eine Piste nicht (unaufmerksam) kreuzen,

    - nicht mitten auf der Piste stehen bleiben,

    - sich vor dem Anfahren nach allen Seiten vergewissern, ob niemand behindert, gefährdet wird,

    - wer von hinten bzw. "oben" kommt, d.h. in der Regel auch schneller unterwegs ist, hat die erhöhte Pflicht zur Aufmerksamkeit (Abstand etc.).

     

    4 Regeln, die m.E. alle Eventualitäten abdecken und mit denen ich, dank der Vermittlung durch sicherheitsbewußte Skilehrer/innen vor über 20 Jahren, bislang auch bestens gefahren bin.

    Ein "rechts" vor "links" oder ähnlicher Unsinn verwirrt mehr als er vernünftig regeln kann. Zumal eine Übertragung aus dem Straßenverkehr den Besonderheiten des Ski"verkehrs" auch nicht gerecht werden kann.

  • KS
    Karl S. Winter

    "Ist der selbst schwer verletzte Althaus nur Opfer oder auch ein bisschen Täter? In dieser Frage kann sich das Publikum auch gerne mal als Richter aufspielen, was den Reiz der Debatte erhöht."

     

    Was ist das für eine Berichterstattung? Welche Rolle spielt in der Tragödie sowohl für Althaus' Selbstschuld als auch für die Hinterbliebenen der Mutter denn ein voyeuristischer "Reiz". Es ist kaum zu hoffen, daß Forum und Inhalt dieses Beitrages auch zum Stil einer gern gelesenen Zeitung werden.

     

    Die ansonsten von Ihnen, Frau Dribbusch sehr aufmerksam geleistete Arbeit steht nach diesem Beitrag schon infrage.

     

    Insgesamt hat doch zu gelten, daß auch Skifahren ein Maß an Vorsicht erfordert aber auch, daß Regeln hermüssen. Solange die in der "freien Wildbahn" nicht da sind, besteht auch keine Täter-Opfer-Beziehung, sofern dem "Tat"bestand keine Absicht vorausgeht.

     

    Auch nicht die wackelige Brücke, die Sie herstellen zwischen seinem privaten und politischen Leben (indem Sie die vorgeblich verneinen), hält einer Fortsetzung stand.

     

    Der Familie der verstorbenen Frau kann man nur viel Glück wünschen, daß sie jetzt ganz sicher braucht und Althaus soll sich erholen. Ein tragischer Unfall ist ein tragischer Unfall, daran kann auch das "gereizte Publikum" nichts ändern.

  • R
    revilo

    mehr regeln, mehr gesetze und natürlich ist ein cdu-politiker schuld....

    liebe taz - fählt dir nicht mehr ein???