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Kofi Annan verhinderte Gewalt in seiner HeimatDer gute Mensch von Ghana

Indem der ehemalige UN-Generalsekretär hinter den Kulissen erreichte, dass Ghanas Wahl reibungslos ablief, rettete Kofi Annan das Land vor einem Bürgerkrieg.

Wahlsieger John Atta Mills bei seiner Amtseinführung. Bild: reuters

ACCRA taz Als Ghanas neugewählter Präsident John Evans Atta Mills am vergangenen Mittwoch in sein Amt eingeführt wurde, war keiner so zufrieden wie Kofi Annan, der ehemalige UN-Generalsekretär. Der Ehrengast bei der feierlichen Zeremonie auf dem Unabhängigkeitsplatz von Accra hatte dafür allen Grund: Es liegt an ihm, dass es in Ghana nicht wie vor einem Jahr in Kenia nach einer knappen Wahl zu Gewalt gekommen ist.

Die beiden Wahlgänge vom 7. und 28. Dezember hatten keinen klaren Sieger erbracht - beide Male lag Oppositionskandidat Mills hauchdünn vor Nana Akufo-Addo, Kandidat der bisher regierenden NPP (New Patriotic Party). Als die Wahlkommission nach der Stichwahl entschied, noch kein Ergebnis zu verkünden, weil einer der 230 Wahlkreise noch nicht abgestimmt hatte, zog die NPP vor Gericht und forderte, das Wahlergebnis solange zurückzuhalten, bis Vorwürfe der Wahlfälschung geklärt seien.

Die NPP hatte der Wahlkommission Beweise vorgelegt, wonach in acht der 21 Wahlkreise der Volta-Region im Osten Ghanas, einer Hochburg der Oppositionspartei NDC (National Democratic Congress) von Atta Mills, NPP-Beobachter von der Wahlbeobachtung ausgeschlossen wurden. Auf Fotos war zu sehen, wie NPP-Beobachter geschlagen und verjagt wurden, darunter der Psychiater Sammy Ohene, der ein Auge verlor. Damit, so die NPP, müssten diese Ergebnisse annulliert werden.

Der Leiter der Wahlkommission, Dr. Afari-Gyan, gestand ein, dass dies klare Gesetzesübertretungen belege, aber für wahlentscheidend hielt er das nicht. Die NPP hatte daraufhin nur noch die Option, vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen die Verkündung des Endergebnisses der Wahlen zu erwirken.

Dies hätte ein Machtvakuum erzeugt. Die Amtsperiode des bisherigen Präsidenten John Kufuor von der NPP, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr angetreten war, lief am 6. Januar aus. Dies, so fürchteten viele Ghanaer, hätte dazu führen können, dass das Militär eingreift.

Gespräche blieben erfolglos - bis Kofi Annan, der in seiner ghanaischen Heimat seinen Ruhestand genießt, sich einbrachte. Er appellierte an die NPP, ihre Klage zurückzuziehen. Annan pochte dabei auf Ghanas und sein eigenes Prestige: Wie würde es aussehen, wenn ein ehemaliger UN-Generalsekretär, der 2008 einen blutigen Wahlstreit in Kenia auf dem Verhandlungsweg lösen konnte, in seiner Heimat scheitere? Ganz Ghana ist schließlich stolz darauf, dass ein Ghanaer zehn Jahre lang die UNO führte, und will an Annans Image keine Kratzer zulassen.

"Ich weiß: Frieden ist wichtiger als Ungerechtigkeit", sagte schließlich NPP-Anwalt Atta Akyea und zog die Klage zurück. So wurde Atta Mills am 3. Januar zum Wahlsieger erklärt und vier Tage später in sein Amt eingeführt. Die Frage, ob sein Wahlsieg sauber war, bleibt dennoch umstritten.

Der Autor ist Chefredakteur der ghanaischen Zeitung "Public Agenda"

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4 Kommentare

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  • O
    Oliver

    Auch von meiner Seite ein großes Lob an die Afrikaberichterstattung!

  • W
    werwilldeswissen

    Kulturimperialismus = britische Staubfänger auf Kopf der Richterin hinter ihm. Peinlich!

  • A
    afiso

    Man sollte vielleicht auch erwähnen, dass die Zeitung "Public Agenda" eine NPP-nahe Zeitung ist und die Berichterstattung somit sehr einseitig ist.

    Es gab auch Berichte über Unregelmäßigkeiten in der Ashanti-Region, der NPP Hochburg, die hier meiner Meinung nach zu kurz kommen.

    Ich denke auch, dass es ein wenig zu weit hergeholt ist, von einem beinahe Bürgerkriegsausbruch zu sprechen, wenn man bedenkt, dass die Wahlen doch im Großteil des Landes sehr friedlich verlaufen sind.

  • B
    Buster

    Ich bin erstens nicht ganz sicher ob der Quervergleich Ghana und Kenia wirklich so einfach zu machen ist, besonders bezüglich der (Kolonial-)Historie denke ich, daß in Kenia die Spannungen entlang der ethnischen Grenzen schon viel stärker sind und waren. Obwohl natürlich in Ghana auch genug Konfliktpotential zwischen den wirtschaftsstarken Regionen und insbesondere dem Norden besteht (aber ein geringeres, wie ich denke.

    Zweitens ist mir der Sprung von der Auseinandersetzung vor dem Wahllokal hin zum Bürgerkrieg schon ein wenig groß.

    Dennoch ist der Einfluss einer Persönlichkeit wie Kofi Annan warscheinlich nicht hoch genug einzuschätzen.

    Trotz Kritik kann man sich bei der taz nur für die Afrikaberichterstattung bedanken, wohl mit Abstand die beste in Deutschland.