"Skype"-Mitbegründer Lund pleite: Im falschen Medium
Mit "Skype" wurde Morten Lund reich. Mit dem Kauf einer Gratistageszeitung verlor er alles. Jetzt ging der Däne in Konkurs.
Es war einer der grössten IT-Deals der vergangenen Jahre. 2005 war Morten Lund mit dem Verkauf der von ihm mitentwickelten IP-Telefonplattform "Skype" für 2,6 Milliarden Dollar an das Internetauktionshaus Ebay reich geworden. In 80 Unternehmen, von Internet bis zu alternativen Energien, investierte er seither seinen Anteil an diesem Geschäft.
Am Dienstag jetzt musste Lund vor dem kopenhagener Handelsgericht persönlichen Konkurs erklären. Und dem IT-Millionär brach ausgerechnet der Kauf einer dänischen Gratistageszeitung, der Nyhedsavisen, finanziell das Genick.
Sein Vermögen reichte nämlich nun nicht einmal mehr dazu aus, eine Abfindung für ehemalige Manager von rund 1,3 Millionen Euro aufzubringen. In seinem Blog - der eigentlich "It's all about luck" heisst, jetzt aber "The days when I fucked up" - hielt der einst als "Visionär" gefeierte 36-jährige seine Fangemeinde über seinen Gemütszustand auf dem Laufenden. "Will jemand etwas richtig Unmenschliches testen? Dann darf er gern in meinen Schuhen stecken!", teilte er seinen "Followers" am Dienstag vor dem Konkurstermin mit. Und 20 Minuten später: "Dear world - get me out of here."
Eine Investitionsentscheidung, von der er sich Profit erwarte - so hatte Lund den Einstieg bei der zweitgrößten dänischen Tageszeitung begründet. Doch womöglich hatte ihm zuviel Gefühl die klare Sicht vernebelt. Als 14-jähriger sei er frühmorgens um 5 Uhr auf den Beinen gewesen, um sich mit Zeitungsaustragen sein erstes Geld für den Kauf neuer Handballschuhe zu verdienen, erzählte der Investor damals glücklich: "Und jetzt bin ich so etwas wie der Chef von 800 Zeitungsjungen", die ja eigentlich der wirkliche Schlüssel zum Erfolg einer solchen Zeitung seien: "It's a killer!" Es wurde tatsächlich ein "Killer".
Täglich runde 120.000 Euro Miese machte Nyhedsavisen, seit Morten Lund sich im Januar 2008 die Gratiszeitung gekauft hatte. Am 1. September machte er sie von einem Tag auf den anderen dicht, nachdem auch der letzte Strohhalm in Gestalt eines Deals mit "Mecom"-Chef David Montgomery davongeschwommen war.
"Bis zum letzten Blutstropfen" habe er gekämpft, beteuerte Lund da, "aber die abgeschwächte Konjunktur" mache ein weiteres Erscheinen nicht möglich. Es war nicht nur die Konjunktur. Das Konzept einer frühmorgens gratis in alle Briefkästen gelieferten Tageszeitung, die auch noch guten Journalismus bringen wollte, rechnete sich ganz einfach nicht. Die Finanzierung der am 6. Oktober 2006 erstmals erschienene Nyhedsavisen war auch nach mehreren redaktionellen Verschlankungsrunden nie aufgegangen. "Es war von vorneherein ein Phantasieprodukt", meint Lisbeth Knudsen, Chefin der zum "Mecom"-Konzern gehörenden Berlingske Media. Doch diese Einschätzung gilt allenfalls für den dänischen Markt. Auf Island, von wo das Konzept exportiert wurde, erfreut sich das "Phantasieprodukt" in Form des in Reykjavik erscheinenden Fréttablasis seit 2002 und selbst angesichts der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise selbst in Island bester Gesundheit.
Doch in Dänemark hatten die etablierten Zeitungsverlage dem Newcomer mit eigenen schnell auf den Markt geworfenen Gratisblätter die Zähne gezeigt. So dass der Kuchen am Ende für keinen der Beteiligten mehr reichte. Eine Schlacht, die rund 150 Millionen Euro gekostet haben dürfte.
Und Morten Lund verlor nicht nur seine Skype-Millionen, sondern brachte auch seinen bislang guten geschäftlichen Ruf in Gefahr.
An sein Versprechen, mit dem er die beiden Zeitungs-Manager bei der Stange gehalten hatte, nämlich ihnen auch nach einem vorzeitigen Ende des Gratiszeitungsabenteuers ihren Lohn ein Jahr lang aus eigener Tasche weiterzuzahlen, wollte er sich plötzlich nicht mehr erinnern. "I ran from my word", entschuldigte er sich letzte Woche reumütig in seinem Blog und versprach zu zahlen, sobald er das Geld zusammenhabe.
Darauf wollten sich Svenn Dam und Morten Nissen Nielsen aber nicht mehr einlassen und verlangten den Offenbarungseid. Angesichts dessen Morten Lund aber zumindest seine Vorliebe für passende Bilder nicht verloren zu haben scheint: "Jetzt fühle ich mich wie Superman, der sein Kostüm nicht mehr hat. Aber vielleicht ist es ja nur in der Reinigung."
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