Gasstreit Russland - Ukraine: Ende der Eiszeit
Russland und die Ukraine verkünden, dass sie sich über neue Preise geeinigt hätten. Damit könnte der Weg für Gaslieferungen nach Europa wieder frei sein. Die EU reagiert zurückhaltend.
Nach fünfstündigen Verhandlungen in Moskau haben sich Russland und die Ukraine am Wochenende auf einen Kompromiss im Gasstreit geeinigt. Die Ukraine werde 2009 das russische Gas mit einem Rabatt auf den "Marktpreis in Höhe von 20 Prozent bekommen", teilten die ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko und ihr russischer Amtskollege Wladimir Putin am Sonntag mit. Der Tarif für die Durchleitung des russischen Gases nach Europa soll für dieses Jahr auf dem Niveau von 2008 bleiben. Beide Seiten haben vereinbart, ab 2010 sowohl bei der Transitgebühr als auch bei den Gaslieferungen an die Ukraine zu den Marktpreisen zu wechseln.
Timoschenko bezeichnete die Verhandlungen als schwierig. Gazprom und Naftogaz, die Energiekonzerne beider Länder, haben nun den Auftrag bekommen, die Verträge vorzubereiten und zu unterzeichnen. Dies soll bereits am Montag geschehen. Danach sollen die Lieferungen nach Europa und in die Ukraine sofort aufgenommen werden.
Die tschechische Präsidentschaft der Europäischen Union begrüßte die getroffenen Vereinbarungen, betonte aber gleichzeitig, dass sie auf die Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen warte. Sollte es so weit kommen, wäre die Arbeit der Beobachtermission nicht mehr nötig, die den Transit kontrollieren soll. Auch das internationale Konsortium, das das für die Durchleitung nötige sogenannte technische Gas kaufen sollte, werde nicht gegründet, verlautete aus russischen Regierungskreisen. "Beide Seiten werden diese Sachen selbstständig und transparent kontrollieren können", hieß es.
Der konkrete Gaspreis wurde bisher nicht genannt. Unklar bleibt auch, ob der Tarif für das ganze Jahr fixiert oder im Laufe des Jahres an die Marktpreise angepasst werden soll. Wegen fallender Erdölpreise soll auch der Gaspreis ab dem zweiten Quartal deutlich sinken.
Weil keine Details bekannt gegeben wurden, war unklar, ob die Ukraine mit dem Kompromiss zufrieden sein kann. Stellungnahmen von beiden Seiten hat es bislang nicht gegeben. Wichtig für die Regierung in Kiew ist, dass Gazprom nun das Gas direkt an Naftogaz liefern wird. Die Ukraine hat seit einiger Zeit darauf bestanden, den ominösen Zwischenhändler RosUkrEnergo, an dem Gazprom zur Hälfte beteiligt war, auszuschalten. Unklar ist, ob Gazprom nach wie vor direkten Zugang zum ukrainischen Markt behält. Bisher durfte der russische Monopollieferant mindestens 7,5 Milliarden Kubikmeter jährlich an ukrainische Kunden direkt verkaufen. Gazprom belieferte in erster Linie die zahlungskräftigen Großbetriebe.
In den vergangenen Tagen ist auch nach der Unterzeichnung des Protokolls über die Beobachtermission kein russisches Gas nach Europa geflossen. Nach der Einstellung der Lieferungen wurde das Gas im ukrainischen Leitungsnetz nicht mehr von Ost nach West, sondern von West nach Ost gepumpt, da alle großen Speicher im Westen des Landes sind. Die von der russischen Seite beantragte Route würde bei der kleinen Liefermenge womöglich das gesamte System zum Kollaps bringen. Der Vorschlag von Naftogaz, einen andere Route zu wählen, die Liefermenge zu erhöhen sowie diese mittelfristig zu garantieren, wurde von Gazprom zurückgewiesen. Die Routenwahl sei nicht die Sache des Transitlandes, hieß es in Moskau, die Ukraine sei einfach nicht imstande, das Gas durchzuleiten. Russland könne die Produktion nicht wieder hochfahren und die notwendigen Mengen liefern, konterte Kiew. Mit dem erzielten Kompromiss soll auch dieser Streit beigelegt worden sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug