Es wird körperlich

„Harry Potter und der Feuerkelch“: Im vierten Teil der Saga führt Mike Newell Regie. Es geht um den Drive einer Actionhandlung und die Irrungen der Pubertät – und Ralph Fiennes spielt Voldemort

VON DIRK KNIPPHALS

Wem gehört ein „Harry Potter“-Film? Es ist die Aufgabe der Produzenten, diese Kernfrage vorab zu klären. Zunächst war die Antwort eindeutig: Harry Potter gehört den Kindern. Und so gab es zwei Verfilmungen lang Grotesken mit Zauberei und eine Briccolage aus Ritterroman, Internatsgeschichte und Drei Fragezeichen. Als Erwachsener saß man entweder ablehnend oder wohlwollend daneben. Es war ja sowieso nicht für einen gemacht. Und den Cineasten, das war eine klare, also okaye Ansage, gehörten die ersten beiden Teile schon gar nicht.

Das änderte sich mit dem dritten Teil „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“. Als Regisseur wurde der Mexikaner Alfonso Cuarón verpflichtet, der versetzte die Handlung entschlossen in eine imaginäre Fantasy-Landschaft, und als dramaturgische Strategie verfolgte man eine doppelte Entwicklungsgeschichte: Einerseits ließ man Harry, wie natürlich in den Büchern angelegt, in die Pubertät kommen, andererseits wurde auch die Verfilmung erwachsener. Den Kinder gehört dieser Teil nicht mehr, zumindest nicht mehr allein.

Offensichtlich halfen die Umsätze der Produktionsfirma, dies als Erfolg zu werten. Also macht nun der vierte Teil auf dieser Spur weiter, aber mit anderen Mitteln. „Harry Potter und der Feuerkelch“ ist pragmatischer, nicht so sehr an dem einen Guss, der künstlerischen Klammer interessiert, aber ebenso vom großen Ernst getragen, auch Erwachsene anspruchsvoll zu unterhalten. Was im dritten Teil düstere Comicwelt und fremder Blick auf die britische Internatstradition war, ist nun der Versuch, die Aufgaben des Trimagischen Turniers, um das es in Teil vier geht, zu nutzen, um im Thrillergenre mitzuspielen, mit Action, Spannungsaufbau und allem, was dazugehört. Da dies zudem die Verfilmung eines dicken Romans ist, hat diese Entscheidung den Nachteil, dass die Handlung manchmal stockt und scheppert, vor allem gleich zu Anfang werden bei der Weltmeisterschaft im Quidditch ziemlich lustlos einige (allerdings imposante) Schauwerte vorgeführt. Aber das macht nicht wirklich etwas, solange die Handlung vorwärts treibt. Um hier Drive reinzukriegen, opfert der neue Regisseur Mikel Newell („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) denn auch manchen Seitenblick auf die Nebenfiguren.

Aber man bedauert das gar nicht, was vor allem daran liegt, dass man die ganze Hogwarts-Folklore schon kennt (diese Verfilmung erlaubt sich, entschieden auf die Vorbildung der Zuschauer zu setzen, erklärt wird nichts) und zweitens sowieso auf etwas anderes wartet. Vor allem auf dies: Wie lösen sie das mit der Pubertät? Das ist der eine wichtige Punkt, mit dem dieser Teil umgehen muss und die bestimmt kommenden weiteren Teile auch. Diesmal gelingt es glänzend. Es gibt rührende Szenen rund um einen Ball, auf dem die Tanzschulenproblematik, mit welchem Mädchen (bzw. welchem Jungen) man denn hingehen soll, voll ausgespielt wird. Hübscher Nebeneffekt: Während manche Actionszene Harry als eine Art Superheld aufbaut, kann er in diesen Irrungen und Wirrungen auch wieder hübsch heruntergeholt werden. Sein Auserwähltsein hilft ihm beim Tanzen jedenfalls gar nicht.

Es gibt eine Szene, in der Newell dem Zuschauer die sich entwickelnde Geschlechtlichkeit eindringlich klar macht. Beim Baden gleitet er einmal mit der Kamera ganz dicht an dem bereits erstaunlich männlichen Oberkörper Harrys entlang. Ein schlichtes Mittel, das aber eine fast schockartige Erkenntnis produziert: Also, ein Kind ist der nicht mehr. In anderen Szenen ist er es dann natürlich doch wieder, und so sind die pubertären Wirren in ein schön irritierendes Hin und Her übersetzt.

Der zweite wichtige Punkt betrifft Voldemort. Dies ist ja der Teil, in dem der schwarze Fürst zum ersten Mal körperlich auftritt, und das absolut Böse darzustellen ist immer ein schwieriges Unterfangen. Auch hier registriert man befriedigt, dass sich die Verfilmung große Mühe gemacht hat. Alle maskenbildnerischen und tricktechnischen Möglichkeiten wurden angewandt und dann gleich wieder verwischt – um aus dem Schönling Ralph Fiennes einen zeitgemäßen Bösen zu machen. Das Ergebnis ist eher Mephisto als Monster, und damit wird man nun auch die nächsten Verfilmungen gut leben können.

„Harry Potter und der Feuerkelch“. Regie: Mike Newell. Mit allen, die bislang dabei waren, und noch Ralph Fiennes. Großbritannien 2005, 157 Minuten