Schauspielerin Anna Maria Mühe im "Tatort": Der fatale Sog des Engels
Anna Maria Mühe ist schwer fassbar. Aber von ferne zu bewundern, am Wochenende zum Beispiel im "Tatort" (So., 20.15 Uhr, ARD) und in "Meine böse Freundin" (Sa., 20.15 Uhr, WDR).
Natürlich hat man ein bisschen Angst vor einem Treffen mit Anna Maria Mühe. Schließlich war man dabei, als Daniel Brühl in Achim von Borries "Was nützt die Liebe in Gedanken" (2004) ihrer Nymphenhaftigkeit verfiel und man selbst ist dieser Tristesse der Inga in Christian Schwochows "Novemberkind" (2008) erlegen.
Auch wenn sie immer wieder anders sind, ähneln sich die Frauenfiguren der Mühe doch in einem Punkt: Es geht ein Sog von ihnen aus, dem man sich nur schwer entziehen kann. Auch wenn sie dieses Fatale ihrer Figuren mit einem ihr ganz eigenen Lächeln oft so herrlich konterkariert. Am Sonntagabend wird sie es wieder tun: Im Kölner Tatort "Rabenherz" spielt Anna Maria Mühe einen seltsam eindringlichen Engel, der Männerleben rettet - oder in den Abgrund reißt.
Alles nur ein klassischer Fall von Projektion? Nein: Auch wenn man der 23-Jährigen direkt gegenübersitzt, geht der Zauber, den sie auf der Leinwand so oft ausstrahlt, nicht verloren. Im Gegenteil, sie ist vielleicht sogar noch ein bisschen schöner, zarter. Kaum geschminkt, wie sie an diesem Morgen ist, und auch nicht sonderlich aufgemacht, fällt sie doch auf. Eine Mischung aus Zerbrechlichkeit, Entschiedenheit und Herzlichkeit bestimmt Anna Maria Mühes Auftreten - ein bisschen so wie das der Nathalie, die sie in "Delphinsommer" (2004) gespielt hat, dieser Tochter religiöser Fanatiker, die sich durch eigene Kraft aus einer Sekte befreit.
Mit solchen Überhöhungen kann Anna Maria Mühe allerdings nicht viel anfangen. Sie knöselt ihre Jacke hinter sich auf das Sofa, und erklärt freundlich, dass sie mit Krankenschwester Maria Everbeck und ihren geheimnisvollen Kräften absolut nichts verbindet. Diesen "Tatort" jedoch sollte man auf jeden Fall sehen, sagt sie dann. Warum? Schließlich ist es bereits ihr dritter Tatort. Wird es da nicht irgendwann Routine. Im Gegenteil. "Gerade weil es so ein untypischer ,Tatort' ist sollen alle ihn sehen. Er ist total mystisch."
Im letzten November, als "Novemberkind" in die Kinos kam, tourte Anna Maria Mühe durch sämtliche deutschen Medien. Jeder wollte sie zu dieser Geschichte interviewen, die so einen guten Anlass bot, mit der Schauspielerin über ihre eigene Biografie zu sprechen - die berühmten Eltern und deren Vergangenheit, das Aufwachsen im Künstlerhaushalt der DDR, der Konflikt nach der Wende. "Novemberkind war schon irgendwie mein Baby", sagt sie. Nach so einem Dreh habe man immer das Gefühl, den könne jetzt nichts mehr toppen. Doch das habe sie bei "Was nützt die Liebe in Gedanken" auch gedacht.
Zum Start von "Novemberkind" wollte jeder etwas über Anna Maria Mühes Leben erfahren. Über ihre Kunst wurde da viel zu wenig geredet. Welche Rolle würde sie denn gern mal spielen? Gibt es da einen Traum? "Ach, ich lass mich überraschen. Ich habe gemerkt, dass man sich in diesem Beruf überraschen lassen kann - und auch muss. Sonst funktioniert er nicht."
In einem dieser zahllosen Auftritte zu "Novemberkind" erklärte sie, noch gar nicht das Recht zu haben, sich als Schauspielerin zu bezeichnen. Moment. Mit 15 spielte Anna Maria Mühe ihre erste große Rolle, sie hat inzwischen Preise gewonnen, schon acht Kinofilme gedreht, dazu noch die ganzen Fernsehspiele. Ab wann ist man denn bitte schön eine Schauspielerin? Anna Maria Mühe muss lachen. "Ich finde, dass das andere entscheiden sollen. Dieser Beruf ist so eine große Aufgabe. Ich habe noch nicht mal angefangen, ihn wirklich zu verstehen."
Anna Maria Mühe ist keine dieser wogenden Diven, die in jedem noch so provinziellen Bistro gleich aller Welt mit Fanfaren ihre Ankunft verkünden. Im Gegenteil: Sie sagt über sich selbst, sie sei eine extreme Selbstzweiflerin. Und tatsächlich ist sie jetzt im Gespräch sehr viel ruhiger und irgendwie auch überlegter und konzentrierter, als man das von Newcomern so gewohnt ist. Von Unsicherheit merkt man allerdings nichts. "Das ist auch gut so", erklärt Anna Maria Mühe. "Meine Zweifel mache ich lieber mit mir selber aus."
Natürlich gebe es da noch ein oder zwei Menschen, mit denen sie Dinge besprechen würde. Ihre Freundin Hannah Herzsprung zum Beispiel, wie Mühe selbst ein gefeierter Jungstar des deutschen Films. Da bespreche man schon mal gemeinsam, wie einem der Film des anderen gefallen habe - aber auch, was einem nicht so gefallen hat. "Hannah und ich sind immer ehrlich miteinander", sagt Mühe. Sie lacht: "Allerdings hatten wir bis jetzt noch nicht so viel aneinanderauszusetzen."
Sich selbst sieht sie nicht so gern auf der Leinwand. Die meisten ihrer Filme hat sie höchstens einmal angeschaut. "Ich kann mir nicht 95 Minuten mein eigenes Gesicht ansehen." Jetzt am Sonntag macht sie womöglich mal eine Ausnahme. "Vielleicht schaue ich den Tatort mit ein paar Freunden, vielleicht verkrieche ich mich aber auch in meinem Zimmer", sie lächelt ihr Anna-Maria-Mühe-Lächeln, "mal sehen."
Ansonsten könnte sie sich natürlich auch in "Meine böse Freundin" zuschauen, der läuft auch am Wochenende: An Anna Maria Mühe kommt man nicht mehr vorbei.
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