WM-Handballtorwart Lichtlein: Sicher in Trance

Handballtorwart Carsten Lichtlein war oft dabei – als Zuschauer, nur einmal hat er vorher gespielt. Bei der WM in Kroatien ist er jetzt erstmals mittendrin. Und wie!

Carsten Lichtlein bei der WM in Aktion gegen Tunesiens Issam Tej. Bild: ap

VARAZDIN/ZADAR taz Die Idee Charly Hühnergarths vor vier Jahren schien gut, aber sie barg Tücken. Der Pressechef des Deutschen Handballbundes (DHB) gab Listen mit den Namen aller Nationalspieler herum, um die Medientermine während der WM in Tunesien zu koordinieren. Die Journalisten wollten also sprechen mit Torwart Johannes Bitter, mit Torsten Jansen, Oliver Roggisch oder mit Christian Zeitz. Doch es gab auch einen, mit dem niemand auch nur ein Wort wechseln wollte: Carsten Lichtlein. Hühnergarth rief den Kollegen vom Fachorgan Handballwoche an und flehte: "Bitte, du musst mit ihm reden." Er gab dann gern dieses Interview.

"In Tunesien war ich noch nicht so weit", sagt Lichtlein über diese Zeit. Bei der WM in Kroatien steht er nun plötzlich im Mittelpunkt. Der 28-Jährige vom TBV Lemgo hatte schon am Sonntag, als der Titelverteidiger gegen Tunesien einen katastrophalen Start erwischte, "mit seinen Paraden das Team vor dem Untergang bewahrt", so sah es nicht nur Lemgos Sportdirektor Daniel Stephan. Am Donnerstag hütete er von Beginn an das Tor gegen Vizeweltmeister Polen. Und wie! Er brachte die polnischen Stars aus dem Rückraum schier zur Verzweiflung, ließ in der ersten Hälfte nur vier Feldtore zu, und als der 30:23-Sieg feststand, wurde Lichtlein als "Man of the match" geehrt. Der 2,02-Meter-Mann hatte 45 Prozent aller Würfe entschärft, ein Weltklassewert.

Er brauchte nach der Partie wie immer ein paar Minuten, bevor er den tranceähnlichen Zustand verließ, in den er sich während des Spiels bringt. "Jetzt realisiere ich erst, welche Leistung wir abgeliefert haben", so Lichtlein. Und natürlich wittert auch er nun, da die deutsche Mannschaft mit 4:0-Punkten in die Hauptrunde startet, die Halbfinalchance. Er sieht den Aufgaben am Samstag gegen Serbien ("eine typische Jugo-Truppe, die hart spielt"), am Sonntag gegen Norwegen und am Dienstag gegen Europameister Dänemark optimistisch entgegen.

Dass er von Beginn an im Tor stehen würde, und nicht der erste Keeper Johannes Bitter, hatte Lichtlein am Frühstückstisch erfahren. Man muss dazu wissen, dass Lichtlein seit Jahren immer der Erste am Frühstückstisch ist. "Ich kann nicht lange schlafen", sagt er. Darin lag in all den Jahren stets eine gewisse Ironie, dass Lichtlein immer zuerst erschien und heute derjenige Nationalspieler ist, der am längsten auf einen Einsatz bei einem großen Turnier warten musste.

Seit der WM 2003 in Portugal ist er dabei. Damals wurde er Vizeweltmeister, weil Brand ihn vor dem Finale nachnominiert hatte. Gespielt hatte er keine Minute. Bei der EM 2004 in Slowenien saß er auf der Tribüne, er schaute auch zu bei den Olympischen Spielen 2004, bei der EM 2006 und bei der EM 2008. Bei der WM 2007 nominierte Brand ihn für die Hauptrunde nach, sortierte ihn aber schnell wieder aus. Lichtlein hatte keine Minute gespielt und darf sich doch Weltmeister nennen. Nie spielte er bei einem Turnier, außer bei der jener WM 2005, als Henning Fritz eine Verletzung auskurierte und niemand mit ihm sprechen wollte.

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