die taz vor zwölf jahren über militanten waldschutz für deutschland:
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Kürzlich wurde Greenpeace-Geschäftsführer Thilo Bode festgenommen, als er versuchte, im kanadischen Urwald Rot-Zedern und Sitkafichten vor den Sägen der dortigen Holzfäller zu bewahren. Das Medienecho war beträchtlich. Aktivisten von „Robin Wood“ und „Rettet den Regenwald“ bemühen sich regelmäßig um die Rettung der letzten Regenwälder. Weltweite Proteste vor den Botschaften der Holzfällernationen sind die Regel. Nur für den deutschen Wald läßt sich niemand anketten.

Dabei schreitet der Raubbau an Fichten und Eichen zehn Jahre nach der Entdeckung des Waldsterbens hierzulande mindestens so schnell voran wie im tropischen Regenwald Malaysias, Indonesiens oder Kanadas. 65 Prozent aller Bäume sind bereits krank, aber Auspufftöpfe und Güllefässer spucken weiter Gift. Und der Verlust wird nicht einmal richtig bemerkt: Während mit den Wäldern des Südens wenigstens lokale Oligarchien und internationale Holzhändler noch ein großes Geschäft machen, stirbt der hiesige Wald nutzlos und still.

Das muß anders werden: Wenn es nicht genügend wirtschaftliches Interesse am deutschen Wald gibt, weil er sowieso zu guten Teilen dem Staat gehört, dann muß eben der politische Preis des Waldsterbens drastisch erhöht werden. Warum sollte, was in Kanada und Malaysia Wirkung zeigt, nicht auch in der Bundesrepublik zu Erfolgen führen? Schließlich reagiert die Bundesregierung sehr empfindlich auf ausländischen Druck. Was also liegt näher, als militante Waldschützer aus aller Herren Länder nach Deutschland einzuladen und sie gegen den Tod des deutschen Waldes mit militanten Mitteln demonstrieren zu lassen? Statt die Transportwege der Holzfäller zu blockieren, können dies erprobte Demonstranten schließlich auch mit Autobahnen tun, statt Tropenholzhändler zu outen, können Agrarindustrielle mit ihren Güllespritzen attackiert werden.

HERMANN-JOSEF TENHAGEN,

16. 11. 1993