Kommentar Wahlen im Irak: Frieden auf Zeit

Dass die irakischen Provinzwahlen überhaupt stattfinden konnten, ist schon ein Erfolg. Doch noch ist die Entwicklung im Irak nicht unumkehrbar.

Das wichtigste Ergebnis der irakischen Provinzwahlen ist wohl, dass sie überhaupt stattfinden konnten. In dem zwischen ethnischen und religiösen Gruppen zerrissenen Land ist es alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass eine Volksabstimmung zunächst friedlich verläuft und das Resultat dann auch noch von den Verlierern ohne größere Vorfälle akzeptiert wird. Ein Erfolg, der sich wohl auch auf die Pläne des US-Präsidenten Barack Obama für weitere Truppenreduzierungen positiv auswirken wird. US-Kommandeure selbst warnen nichtsdestotrotz, dass der Prozess noch nicht unumkehrbar ist.

Das Ergebnis selbst lässt sich nicht einfach in den Kategorien schwarz oder weiß interpretieren. Der durchaus überraschende Sieger ist die Partei des irakischen Premiers Nuri al-Maliki, sie hat vor allem in den von Schiiten dominierten Städten gewonnen. Mit ihrem Konzept "der Zentralstaat zuerst" ist die Idee, den Irak in einen schiitischen und sunnitischen Teil auseinanderbrechen zu lassen, nun erst einmal vom Tisch.

Koalieren wird er wohl mit den Gefolgsleuten des Schiitenpredigers Muktada al-Sadr. Das ist nicht ohne Ironie, kämpften Sadrs Milizen doch noch vor Kurzem im Süden gegen die Zentralregierung um die Öleinkünfte und die Kontrolle Basras. Wer übrigens gehofft hatte, der iranische Einfluss werde mit diesen Wahlen abnehmen, der wurde enttäuscht. Zwar verlor der Oberste Rat der Islamischen Revolution (SCIRI), Teherans direktester Vasall, an Stimmen, aber sowohl die religiöse Partei Malikis als auch die von Sadr haben ein offenes Ohr in Richtung ihres östlichen Nachbarn.

Das wichtigste Ergebnis ist, dass die Sunniten in den politischen Prozess reintegriert wurden. Die meisten von ihnen hatten die letzten Wahlen 2005 noch boykottiert. Dass sie nun die Kontrolle über die drittgrößte irakische Stadt Mossul gewonnen haben, birgt aber schon wieder Konfliktstoff, denn die Kurden beanspruchen die Stadt für sich. Diese Frage wird bei den Parlamentswahlen Ende des Jahres entschieden - hoffentlich ebenfalls friedlich.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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