Initiative zu Haftentschädigungen: Freiheit soll wertvoller werden

Wer zu Unrecht im Gefängis saß, bekommt elf Euro pro Tag. Nun wollen FDP und Grüne höhere Entschädigungen durchsetzen.

Nicht nur Spielgeld: unschuldig Inhaftierte könnten bald höhere Entschädigungen bekommen. : dpa

FREIBURG taz Es ist kaum zu glauben, wie billig Justizopfer in Deutschland abgespeist werden. Wer zu Unrecht in Haft saß, bekommt als Entschädigung gerade mal 11 Euro Schmerzensgeld pro Tag. Grüne und FDP wollen das nun ändern. Diese Woche berät der Bundestag über ihre Anträge.

Der Fall der Berliner Artzhelferin Monika de M. ist besonders eindrücklich. Sie stand unter Verdacht, sie habe das Wohnhaus ihres bettlägerigen Vaters angezündet, um die Versicherungssumme zu kassieren. Der Mann starb in den Flammen, seiner Tochter drohte eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes. Dann stellte sich im Vorjahr durch ein Gutachten des Bundeskriminalamts heraus: Es war vermutlich gar keine Brandstiftung. Die Arzthelferin saß wohl zweieinhalb Jahre zu Unrecht in U-Haft. Zweieinhalb Jahre geraubte Lebenszeit - mit Geld kaum gutzumachen. Doch laut Gesetz stehen ihr nur 10.000 Euro Schmerzensgeld zu.

Haftentschädigung bekommen Strafhäftlinge, wenn sich ein rechtskräftiges Urteil später als falsch erweist und aufgehoben wird. Häufiger ist die Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft, wenn die Ermittlungen später mit einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung enden. Vermögensschäden wie Verdienstausfall sollen zwar in voller Höhe ersetzt werden, sind aber schwer einzuklagen. Meist gibt es nur die Basisentschädigung von 11 Euro pro Tag. So steht es im "Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen", einem Bundesgesetz. Schon seit 1987 wurden die Sätze nicht mehr erhöht, abgesehen von einer kleinen Aufrundung bei der Euro-Einführung 2002.

Die Justizministerkonferenz hat im November nach langem Drängen endlich eine Erhöhung der Sätze auf 25 Euro befürwortet. Das ist immerhin leicht über dem Inflationsausgleich, der bei 17 Euro läge. Doch seither ist nichts passiert. Justizministerin Brigitte Zypries wartet auf eine Initiative der Länder über den Bundesrat, die bisher aber ausblieb. Die Länder sind zögerlich, weil sie den Großteil der Entschädigungen zahlen müssten. Um Riesensummen handelt es sich nicht, da die Zahl der nachgewiesenen Justizirrtümer zum Glück überschaubar ist. 2007 haben die Länder - außer Bayern und Thüringen - zusammen nur 756.000 Euro für Haftentschädigungen ausgeben müssen.

Viele Justizpolitiker quer durch die Lager sehen aber auch 25 Euro für einen Tag entgangener Freiheit als viel zu niedrig an. So halten der Deutsche Anwaltverein, die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) und der Brandenburger CDU-Politiker Sven Petke eine Entschädigung von 100 Euro pro Tag für angemessen.

FDP und Grüne wollen nun Druck machen. Am Donnerstag werden im Bundestag in erster Lesung ihre Anträge behandelt. Übereinstimmend fordern sie die Abkehr von fixen Tagessätzen. Vielmehr soll wie in Österreich eine "angemessene Entschädigung" bezahlt werden. Der Gesetzentwurf der Grünen nennt als Untergrenze 50 Euro pro Tag. CHRISTIAN RATH

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