Regierungsrat gegen Merkels Agrarpolitik

LANDWIRTSCHAFT Umweltexperten fordern, Vorschläge für Ökoreform der Subventionen nicht aufzuweichen. EU-Länder wollen bei Brüsseler Verhandlungen über neuen Haushalt entscheiden

BERLIN taz | Das große Gefeilsche hat begonnen: In Brüssel verhandeln die Staats- und Regierungschefs der EU seit Donnerstag über den Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre. Es geht um rund eine Billion Euro und um Details des größten Ausgabenpostens, der Agrarpolitik. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will verhindern, dass die Bauern künftig wie von der Kommission vorgeschlagen mehr für die Umwelt leisten müssen, um milliardenschwere Subventionen zu bekommen. Doch damit stellt sie sich gegen den Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung berät. „Wir sagen Ja zum Kommissionsvorschlag“ über die wichtigste Subventionsart, die Direktzahlungen, erklärte die Vizevorsitzende Karin Holm-Müller in Berlin unmittelbar vor dem Gipfel.

Die EU lässt sich die Landwirtschaft jährlich rund 58 Milliarden Euro kosten. Gleichzeitig sind die Bauern in Europa laut Holm-Müller aber diejenigen, die Tierarten am meisten gefährden. Vogel- und Schmetterlingsbestände etwa nähmen ab.

Deshalb fordert die Kommission, dass die Bauern mindestens 7 Prozent ihrer Äcker „im Umweltinteresse“ nutzen. Sie könnten etwa Wildblumen wachsen oder die Fläche brachliegen lassen. Die 7 Prozent sehen die Wissenschaftler „als Mindeststandard“. Merkel kämpft in Brüssel aber für lediglich 3,5 Prozent. „Nur in wenig Regionen ist nicht mal das Status quo“, sagte Holm-Müller der taz. „Und das wäre sicherlich nicht adäquat für die Zahlungen, die es gibt.“

Sie unterstützte auch den Wunsch der Kommission, dass Bauern fast alle Direktzahlungen verlieren, wenn sie Ökoauflagen wie die Vorrangflächen für die Umwelt missachten. Der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments hat jüngst beschlossen, nur 30 Prozent der Subventionen an Umweltauflagen zu binden. Dann könnte es sich gerade für Betriebe in den aus Umweltsicht besonders problematischen Regionen mit vielen Massenställen und Biogasanlagen lohnen, auf den Ökoeinsatz zu verzichten, befürchten die Wissenschaftler.

„Verheerend“ nannte es Holm-Müller, wenn die EU die Mittel für Agrarumweltmaßnahmen wie den Ökolandbau reduzierte – das hat Ratspräsident Herman van Rompuy vorgeschlagen. Diese Programme, argumentierte die Wissenschaftlerin, seien noch hochwertiger für die Umwelt als die Ökoauflagen für die Direktzahlungen. Eine Entscheidung soll bis zum Ende des EU-Gipfels am Freitag fallen. JOST MAURIN