GERTRUDE VON HOLDT-SCHERMULY, LAIENPREDIGERIN
: Die Übergangspastorin

■ Die 61-Jährige absolvierte eine dreijährige Ausbildung zur Prädikantin, einer evangelischen Hilfspredigerin. Foto: dpa

Keinen Pastor hat Hallig Hooge im Moment, seit der letzte im Oktober in den Ruhestand gegangen ist, nach mehr als elf Jahren. Hallig Hooge hat seitdem Gertrude von Holdt-Schermuly. Sie ist keine studierte Theologin, hat aber schon in etlichen Gemeinden als Vertreterin gearbeitet – sozusagen im Nebenberuf. Eigentlich arbeitet die 61-jährige in der Arztpraxis ihres Mannes im nordfriesischen Niebüll. „Aber vom Gefühl her“, sagt sie, „ist das hier mein richtiger Beruf.“

Am 1. Advent hielt die Laienpredigerin ihren ersten Gottesdienst in der knapp 400 Jahre alten St. Johanniskirche – auf plattdeutsch. Nun sitzt sie in ihrem Arbeitszimmer im Pfarrhaus und schreibt an der Predigt für Heiligabend, schaut ab und an durchs Fenster auf den benachbarten Friedhof: „Alle Gräber haben Schneehauben auf“, erzählt sie. „Wunderschön“ sei es gerade auf Hallig Hooge: „Alles ist weiß und nichts hindert den Blick!“

An der Predigt schreibt sie schon seit ein paar Tagen. Es gehe darin um das Sehnen nach dem Wunder. „Viele Menschen“, sagt Holdt-Schermuly, „haben an Weihnachten den Wunsch, die Geburt des Christkindes als Möglichkeit für einen Neubeginn zu nutzen.“

Die Wintermonate hindurch lebt die 61-Jährige ständig auf der Hallig, allein mit ihrem Jack-Russel-Terrier Paris, „wie der griechische Gottessohn“, der Mann und die vier Kinder sind daheim in Niebüll, auch an Heiligabend. Seit Oktober war sie erst zweimal auf dem Festland. „Das ist ein bisschen schwierig mit der Verbindung“, sagt Holdt-Schermuly, „die Fähre fährt momentan nur einmal pro Woche.“

Einsam fühle sie sich nicht: „Ich kann sehr gut allein sein.“ Einmal im Jahr geht sie ins Kloster, um nachzudenken – über sich, ihre Beziehung und über Gott. „Das hier ist wie im Kloster!“, sagt sie: „Zeit hat eine ganz andere Dimension.“ So ganz unvertraut ist ihr die Hallig nicht: Die Großeltern lebten dort. „Ich habe hier jede Ferien verbracht“, sagt die gebürtige Pellwormerin.

Mindestens bis zum 1. März wird sie auf der Hallig bleiben, dann kommt der neue Pastor. Und Gertrude von Holdt-Schermuly geht zurück in die Praxis, der Nebenjob ruft. UTE BRADE