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die wahrheitEs lebe der vorsitzende lohas!

Man muss kein Feng Shui-Meister sein, um vorauszusehen, dass in den nächsten Jahrzehnten die Weltführungsmacht USA durch China abgelöst wird.

Man muss kein Feng Shui-Meister sein, um vorauszusehen, dass in den nächsten Jahrzehnten die Weltführungsmacht USA durch China abgelöst wird. Wahrscheinlich hat der Wechsel sogar längst stattgefunden, denn schließlich gehören der Volksrepublik bereits jetzt US-Staatsanleihen im Wert von 650 Milliarden Dollar. Das macht den chinesischen Staat zum größten Gläubiger der USA, weshalb auch Hillary Clintons erste Auslandsreise als US-Außenministerin in der vergangenen Woche zu uns nach Peking führte. Hier bat sie die chinesische Regierung, doch ihren Anteil an den USA nicht zu verkaufen, was ihr von chinesischer Seite auch gnädig zugesichert wurde. Niemand hat hier ein Interesse an einem bankrotten Absatzmarkt.

Dafür ist das Interesse an jeder Trendsau, die durch die westlichen Gefilde des Planeten getrieben wird, um so größer. Was sich die eigenen Schuldner gönnen, so der Tenor hier, das können wir uns schon lange leisten. Deshalb ist in China in letzter Zeit auch alles "lohas". Für den, der es immer noch nicht weiß: Die Abkürzung steht für "Lifestyle of Health und Sustainability", angeblich seit ein paar Jahren ein "Megatrend", der von einem amerikanischen Soziologen erfunden wurde. In Deutschland wird er hauptsächlich von einem Eike Wenzel propagiert, Autor von Büchern, die "Future Shopping" heißen, und der "Senior Future Consultant" ist, in Matthias Horxens bizarrem "Zukunftsinstitut".

Im Westen heißt es, Anhänger der Lohas-Bewegung pflegten einen Lebensstil, der Ökologie und Luxus kombiniere. Es handelt sich also um Leute, die genug Asche haben, um nicht bei Aldi einkaufen zu müssen, und am liebsten mal "was Sinnvolles" mit Holz oder Tieren machen würden. Solche Menschen gibt es auch in den chinesischen Millionenstädten zuhauf, weshalb hier auch das Lohas-Ding riesige Dimensionen angenommen hat. Das hiesige Lohas-Magazin beispielsweise erscheint in einer Auflage von angeblich 630.000 Exemplaren. Dabei ist die Zielgruppe noch fester umrissen als im Westen, denn Lohas China wendet sich ausschließlich an Frauen. Die lesen in dem Blatt Artikel über typische Lohas-Themen wie Biodiesel, bessere Chancen beim Blind Date oder High Heels aus Baumwolle. Aber auch die Wochenendbeilage der Tageszeitung Beijing Wan Bao, die immerhin eine Auflage von einer Million hat, ist seit einiger Zeit mit "Lohas" überschrieben, das man hier als Le Huo ("Happy Life") übersetzt.

Das klingt nun wesentlich griffiger als das allgemeine Gerede von neuen "moralischen Hedonisten" und einer "neuen Lust an der Affirmation, am Jasagen", das Herr Wenzel so von sich gibt. Außerdem machen die Chinesen wirklich Lohas-Nägel mit Köpfen. In Hongkong entsteht gerade ein Wohngebiet, das - nachdem es zunächst "Dream City" genannt werden sollte - jetzt "Lohas Park" heißt. Wenn der neue Stadtteil im Jahr 2015 fertig ist, wird er fünfzig Hochhaustürme von 46 bis 59 Stockwerken umfassen, und in den 21.500 neuen Wohnungen werden rund 58.000 frisch gebackene Lohasianer ihr "Happy Life" genießen. Vielleicht sollte Eike Wenzel Kantonesisch lernen, um sich hier als Bürgermeister zu bewerben. Für den Anfang: "Ja" heißt "hai".

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