piwik no script img

Agenten auf SchalkeDer Spin-Doctor ruft durch

Über Agenten, die Schalke-Aufsichtsrat Clemens Tönnies in ein besseres Licht rücken möchten - am liebsten durch einen nachträglich geänderten Online-Artikel.

Engagiert Agenten für den guten Ton: Aufsichtsrat Clemens Tönnies. Bild: dpa

Es kommt nicht alle Tage vor, dass jemand anruft, über den man gerade geschrieben hat, doch bei Schalke geht es in dieser Saison derart deprimierend zu, dass ich es durchaus verstehen konnte, als ein Vorstandsmitglied bei mir durchklingelte, um seinem Unmut über meine Berichterstattung Luft zu machen.

Damit kein Missverständnis aufkommt, es wurde bei diesem Telefonat durchaus die Form gewahrt und ging fast freundschaftlich zu. Ganz unrecht hatte der Anrufer mit seiner Beschwerde auch nicht, denn meine Behauptung, dass der Klub in der Winterpause einige Spieler an der Resterampe verschleudert hatte, war zweifellos eher eine polemische denn chirurgisch präzise Beschreibung. Außerdem gestand ich es dem Mann am anderen Ende der Leitung gerne zu, sich Entlastung zu verschaffen, wo er sonst nur der Adressat von Beschwerden ist. Man muss sich bestimmt eine ganze Menge anhören, wenn man in schlechten Zeiten bei einem Fußballklub Verantwortung trägt. Schon gar, wenn der Klub Schalke heißt.

Ich freute mich über die Rückmeldung auch, weil das echt selten passiert. So habe ich bislang nur einen Leserbrief eines Fußballprofis erhalten plus die mündlich überbrachte Androhung eines anderen, mir was aufs Maul zu hauen, sollte ich ihm über den Weg laufen. So beendeten wir unser Telefongespräch also mit den gegenseitig besten Wünschen, da klingelte es kurz darauf schon wieder. Der Anrufer nannte seinen Namen und fragte mich, ob ich was damit anfangen könnte. Konnte ich, denn so viele Menschen mit adelig klingendem Namen gibt es bei Schalke nicht.

Allerdings war ich mir nicht ganz im Klaren darüber, welche Rolle der Herr von königsblauem Geblüt spielte. Arbeitete er für den Klub oder nur für dessen Aufsichtsratsvorsitzenden Tönnies? Der Anrufer hielt das im Ungefähren, murmelte etwas über seine freundschaftlichen Beziehungen zu Clemens Tönnies, und ich war fasziniert davon, offensichtlich mit einem veritablen Spin-Doctor zu sprechen. Als Fußballjournalist hat man sonst schließlich nie mit abgebrühten PR-Profis zu tun, die im Hintergrund Strippen ziehen und Meinungen machen.

Toll auch, dass sich der Fleischfabrikant Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück einen solchen Spezialisten leistet, aber vielleicht muss er das auch in Zeiten, wo ihm öffentlich vorgehalten wird, sein Gehacktes halb und halb sei nicht immer gleichmäßig austariert gewesen. Außerdem hatte ich Tönnies bei "Schmidt & Pocher" im Fernsehen gesehen, genauer gesagt beim Unterformat "Helmut Zerlett on Tour", wo der lustige Bandleader seine Ausflüge in die schillernde Welt der B-Prominenz dokumentiert. Auf einer Party des als "Printen-Königs" bekannten Unternehmers Herrmann Bühlbecker konnte man neben anderen aufregenden Gästen wie Sandy Meyer-Wölden, Marc Terenzi oder Haddaway auch einen vergnügten Tönnies sehen. Ob ihn sein Spin-Doctor auf die Gästeliste befördert hatte?

Ich vergaß das zu fragen, denn bei mir wollte er darauf einwirken, dass ich meine Kritik am Aufsichtsratsvorsitzenden in dem Artikel streichen solle, der schon Anlass des ersten Anrufs gewesen war. Verblüffenderweise hegte der Spin-Doctor die irrige Vorstellung, dass man bei Veröffentlichungen in Online-Medien jederzeit noch am Text herumschrauben kann.

Ich hatte geschrieben, dass Tönnies zwar in die Öffentlichkeit dränge, ohne dass seine Beiträge bislang sonderlich konstruktiv seien. Für mich zeigte sich das etwa an einer Art von Punkte-Ultimatum, das Tönnies ausgesprochen hatte. Aus den nächsten Spielen sollten soundso viele Punkte her. Nichts macht Trainern und Spielern die Arbeit schwerer.

Der Mann mit dem adeligen Namen warb für Tönnies damit, dass dieser eben manchmal emotional wie ein Fan sei. Das finde ich im Prinzip auch gut, verkniff mir aber die Bemerkung, dass es dafür Fan-Clubs gibt und Aufsichtsräte halt eine andere Aufgabe haben. Schließlich wollte ich es mir mit dem Strippenzieher nicht verderben. Immerhin hatte er mir seine Handynummer mit dem Hinweis gegeben, dass ich ihn gerne anrufen könne, wenn ich mal direkt etwas von Tönnies wissen wolle. Wie wohl Sandy Meyer-Wölden so drauf ist?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • C
    costa.brava.hombre

    Wieder einer mehr, der sich in der Öffentlichkeit wichtig machen will. Haltet doch endlich mal den Mund, oder schreibt etwas Konstruktives. Labertaschen von Ouzo, über Bild und anderen Käseblättern haben wir doch wahrlich genug. Jeder der z.Zt. eine Tastatur hat meint seinen Senf dazu geben zu müssen. Langsam kotzt mich das ganze Geschmiere an. Geistloser geht´s nimmer.