Kommentar China: Kommunisten wieder kommunistischer?

Die meisten Ökonomen glauben, dass kein Konjunkturprogramm so gut funktionieren wird wie das chinesische. Aber die Kommunisten in Peking haben keinen Plan.

Vor der gestrigen Regierungserklärung von Chinas Premierminister Wen Jiabao zogen weltweit die Aktienkurse an. Das war kein Zufall. Die meisten Ökonomen glauben, dass kein anderes staatliches Konjunkturprogramm auf der Welt so gut funktionieren wird wie das chinesische.

Denn China hat noch dringenden Bedarf an Eisenbahnen, Straßen und Brücken, und die Pekinger Regierung weiß, wie man Infrastrukturmaßnahmen effektiv durchführt. Aber reicht dieser Vorteil einer Nachzüglerökonomie aus, um China zum großen, auch weltpolitischen Profiteur der internationalen Wirtschaftskrise zu machen?

Chinas relativer Machtgewinn gegenüber dem Westen steht heute für die meisten Kommentatoren bereits fest. Sie verweisen auf China als das liquideste Land der Welt mit einem relativ gesunden Bankensystem, einem gering verschuldeten Staatshaushalt und mit riesigen Devisenreserven. Die Chinesen bräuchten also nur loszulegen, während dem hochverschuldeten Westen die Hände gebunden sind. Aber die Kommunisten in Peking haben keinen Plan. Straßen bauen - okay, das können sie. Aber was dann? Ihr Erfolgsgeheimnis war ja bisher der Rückzug aus der Wirtschaft. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sie aus einer erstarrten Staatsökonomie eine florierende Privatwirtschaft gezimmert. Sie haben Initiative und Macht an die Unternehmer des Landes abgegeben. Doch nun sitzen diese Unternehmer auf ihren Exportprodukten und werden sie nicht mehr los. Nun soll auch in China wieder Vater Staat die Wirtschaft lenken. Er soll den Unternehmen helfen, ihre einseitige Exportorientierung aufzugeben und mehr in den Binnenmarkt zu investieren. Er soll neue Konsumanreize schaffen und den Bürgern soziale Sicherheit geben, damit sie weniger sparen und mehr ausgeben. Aber können die Kommunisten das? Können sie wieder kommunistischer werden?

Die Antwort steht aus. Japan hat mit seinem konfuzianischen Beamtenapparat den energieeffizientesten Industriestaat der Welt geschaffen. Chinas Beamtenelite muss erst noch beweisen, dass sie den Staat in die Zukunft führen kann. Versinkt sie im alten, korrupten Parteimilieu, wird das Land kein Krisengewinnler sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.