Kirgisischer Journalist niedergestochen: Feinde der Freiheit

Kirgisiens Regierung verspricht Aufklärung der Messerattacke auf einen Journalisten. Halten wird sie das wohl nicht. Motiv des Angriffs sollen seine kritischen Texte gewesen sein.

Seit der Tulpenrevolution 2005 regiert in Kirgisien mehr die Korruption als der Präsident. Darunter leiden auch unabhängige Journalisten. : dpa

Der kirgisische Journalist Syrgaka Abdyldajew hat Glück gehabt: Er lebt. Ärzte bezeichnen seinen Zustand als stabil. Der 47-Jährige wurde am Dienstagabend in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek Opfer einer brutalen Messerattacke. Vier Männer stürzten sich vor dem Redaktionsbüro der regierungskritischen Zeitung Reporter Bischkek auf den Journalisten und streckten ihn mit 21 Messerstichen nieder. Danach konnten sie entkommen. Das Motiv für den Angriff sei in dessen journalistischer Arbeit zu suchen, vermutet ein kirgisischer Parlamentarier. Die Zeitung Reporter Bischkek wurde 2008 gegründet. Seither schreibt das Blatt mit beißender Kritik über den kirgisischen Präsidenten. Der kirgisische Innenminister Moldomusa Kongantijew will die Ermittlungen persönlich überwachen.

Was solche Versprechen wert sind, zeigt der Fall Alischer Saipow: Im Oktober 2007 wurde der Journalist und Herausgeber der usbekischsprachigen Zeitung Siosat vor seinem Büro erschossen. Damals versicherte sogar der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakjiew sich um die Aufklärung des Falles zu kümmern. Mehr als sein Wort ist bei den Ermittlungen bisher nicht herausgekommen.

Ein Mitarbeiter des kirgisischen Geheimdienstes sagte der taz, dass hinter dem Mord an Saipow der usbekische Geheimdienst stünde, denn Saipows Zeitung wurde von Kirgisien über die Grenze nach Usbekistan geschmuggelt. Dort ist unabhängiger Journalismus ausdrücklich verboten.

Damit es diesmal nicht bei leeren Versprechungen bleibt, forderte Reporter ohne Grenzen am Mittwoch, dass der Angriff unverzüglich aufgeklärt werden müsse: "Die Attacke auf Abdyldajew belegt die extreme Pressefeindschaft in Kirgisien", erklärte die Journalistenorganisation.

Die Staatsmacht in Kirgisien erodiert seit dem als Tulpenrevolution bezeichneten Machtumsturz im März 2005 zusehends: Geheimdienste fremder Staaten, kriminelle Gruppierungen und rachsüchtige Politiker können in Kirgisien gefahrlos agieren. Anschläge auf Journalisten, Politiker und Geschäftsleute sind zur traurigen Routine in dem bitterarmen Gebirgsstaat an der chinesischen Grenze geworden. Keiner der über ein Dutzend Anschläge wurde aufgeklärt.

Doch trotz der sich ausbreitenden Anarchie konnte sich in Kirgisien bisher immer noch eine erstaunlich vitale Medienszene halten. Das sieht in den Nachbarstaaten Kirgisiens anders aus. In Usbekistan müssen die wenigen Journalisten, die gleichwohl für ausländische Medien arbeiten, mit staatlicher Verfolgung rechnen. Die US-amerikanische Journalistenorganisation Committee to Protect Journalists zählt 2009 acht Journalisten, die in Usbekistan hinter Gittern sitzen. Allein im Februar wurden zwei Journalisten aufgrund haltloser Anschuldigungen verhaftet. Was die erwarten könnte, zeigten usbekische Richter im vergangen Jahr: Sie verurteilten den Journalisten Salidschon Abdurachmanow - zunächst wegen "Drogenkonsums ohne Absicht des Weiterverkaufs" - zu fünf Jahren Haft. Als ein Test belegte, dass Abdurachmanow keine Drogen genommen hatte, lautete die Anklage plötzlich auf Drogenhandel. Ergebnis: zehn Jahre Lagerhaft.

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